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Wie das Smartphone unser Gehirn ver?ndert

Das Sommerthema 2019 widmet sich der Frage "Wie wollen wir zusammen leben?" Wir stellen Forscherinnen und Forscher vor, führen Interviews und suchen Antworten aus ganz unterschiedlichen Perspektiven, u.a. soziologisch, ethnologisch, wirtschaftswissenschaftlich und naturwissenschaftlich. In Folge 5 geht es darum, welche Schlüsse die Neurowissenschaft aus den Ver?nderungen im Gehirn bei der Smartphonenutzung für die Suchtforschung insgesamt zieht. Im Interview spricht Psychologe und Neurowissenschaftler Prof. Dr. Sebastian Markett über den Einfluss von Facebook auf unsere Gehirnstruktur.

Sebastian Markett
"Steve Jobs hatte recht!" Prof. Dr. Sebastian Markett
untersucht das Verhalten von Smartphone- bzw.
Facebook-Nutzerinnen und -Nutzern.
Foto: Daimler und Benz Stiftung/Oestergaard

Wir leben seit etwas mehr als einem Jahrzehnt mit einem st?ndigen Begleiter. Ein Alltag ohne Bildschirm vorm Gesicht ist für viele Menschen nicht mehr denkbar. Im Schnitt interagieren wir zwei bis drei Stunden t?glich mit unserem Smartphone, also zwei volle Arbeitstage in der Woche. Wieso verbringen wir so viel Zeit mit diesem Ding? Prof. Dr. Sebastian Markett und Kollegen ver?ffentlichten 2017 eine Studie zum Einfluss sozialer Netzwerke auf den Nucleus Accumbens. Im Interview erkl?rt er, worum es in seiner Forschung geht.

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Wie kam es zu der Forschungsidee?

Aus psychologischer Sicht ist das Smartphone sehr spannend. Vor zw?lf Jahren gab es noch kein Smartphone und in dieser kurzen Zeit hat eine neue Technologie unser Leben auf den Kopf gestellt und unser Freizeit- und Kommunikationsverhalten v?llig ver?ndert. Ich denke immer an den Auftritt von Steve Jobs beim ersten iPhone. Dort sagte er: ?Ab und zu gibt es revolution?re Produkte, die alles ver?ndern.“ Dieser Satz ist sehr wahr. Unsere Gesellschaft hat sich seit dem Smartphone stark ver?ndert. Wir haben in einer Studie untersucht, wie viel Zeit unsere Probandenmit dem Smartphone verbringen. Die Ergebnisse waren sehr auff?llig, n?mlich, dass wir im Schnitt drei bis vier Stunden pro Tag dem kleinen Bildschirm Aufmerksamkeit widmen. Unsere These war dann, dass dabei unser Belohnungssystem eine gro?e Rolle spielen muss.

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Wie haben Sie geforscht?

Wir haben eine App programmiert, die unser Smartphoneverhalten aufzeichnen kann. Hierbei geht es nicht darum, Einblicke darüber zu bekommen, was genau auf dem Smartphone geschrieben oder angesehen wird , sondern es konnte festgehalten werden, wie viele Minuten am Tag man das Smartphone nutzt, wie oft es entsperrt wird und wie oft welche Apps genutzt werden. ?ber einen Zeitraum von fünf Wochen wurden von 62 Probanden diese Eckdaten des Social-Media-Verhaltens aufgezeichnet. In der Studie haben wir uns auf Facebook konzentriert und verfolgt, wie oft sie Facebook auf ihrem Smartphone ?ffnen und wie lange sie Facebook nutzen. Fünf Wochen wurden also die Daten der Probanden an unseren Server übermittelt. Danach nahmen wir hochaufl?sende strukturelle Bilder der Gehirne der Probanden im MRT Scanner auf. Auf diesen MRT-Bildern lassen sich einzelne Teile des Gehirns vermessen und die Messergebnisse das Belohnungssystem, den Nucleus Accumbens, betreffend, wurden dann mit den Daten der Facebooknutzung in Verbindung gebracht.

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Grafik zum Nucleus Accumbens
Grafik: Sebastian Markett

Was ist der Nucleus Accumbens?

Der Nucleus Accumbens ist die zentrale Schnittstelle unseres Belohnungssystems. Alles, was uns Freude bereitet, l?st eine Aktivit?t im Nucleus Accumbens aus, ausgeschüttet wird der Botenstoff Dopamin. Auch Drogen wie Zigaretten oder Alkohol wirken direkt oder auf Umwegen auf unser Belohnungssystem. Wir wissen aus anderen Studien, dass die Aktivit?t im Nucleus Accumbens sehr motivierend wirkt.

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Und wie h?ngen das Belohnungssystem und die Handynutzung zusammen?

MRT Bilder
Das Volumen des nuccleus accumbens ist kleiner.
Urheber: Prof. Dr. Sebastian Markett

Je mehr Zeit jemand auf Social-Media-Apps wie Facebook verbringt, desto geringer ist das Volumen des Nuclues Accumbens. Das Ausma?, in dem wir Facebook nutzen, scheint einen so gro?en Einfluss auf unser Gehirn zu haben, dass es auf neuroanatomischer und neurophysiologischer Ebene nachweisbar ist. Man sieht also auf anatomischer Ebene einen Zusammenhang zwischen dem Facebookverhalten und unserer Hirnstruktur.

Allerdings ist noch v?llig ungekl?rt, was das funktionell bedeutet. Wir wissen nicht, ob das geringere Volumen des Nucleus Accumbens eine st?rkere Nutzung sozialer Netzwerke ausl?st, oder ob umgekehrt die gesteigerte Nutzung sozialer Netzwerke zu einer Ver?nderung in dieser Hirnregion führt. Um herauszufinden, was am Ende die Ursache für das kleine Belohnungszentrum ist, sind ?weitere Studien n?tig.

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Was bedeutet das für uns?

Um diese Frage klar zu beantworten, müssen wir vor allem gekl?rt haben, ob das geringere Volumen des Belohnungssystems Ausl?ser für eine gesteigerte Facebooknutzung ist oder ob unser Belohnungssystem eventuell abstumpft, wenn wir viel Social-Media konsumieren.

Klar ist aber, alles was abh?ngig macht, inklusive aller Drogen, wirkt direkt oder auf Umwegen auf den Nucleus Accumbens. Ein Zusammenhang zwischen einem verringerten Volumen des Nucleus Accumbens und dem Konsumverhalten besteht auch bei Nikotin oder Alkohol. Deshalb gibt unsere Erkenntnis vom Zusammenhang zwischen Facebookkonsum und Volumen des Belohnungssystems auf jeden Fall auch erste Hinweise für die Suchtforschung.

Interview: Paula Pensky

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Link zum Vortrag auf Youtube
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Sommerthema 2019: Wie wollen wir zusammen leben?

Folge 1 mit der Ethnologin Prof. Dr. Silvy Chakalakkal: "Ich gehe davon aus, dass Zeit nicht einfach da ist."

Folge 2 mit dem Soziologen Prof. Dr. Steffen Mau: Erkundungen in der ostdeutschen Heimat

Folge 3 mit dem Makro?konomen Prof. Marcel Fratzscher (PhD): Für einen starken Sozialstaat

Folge 4 mit Prof. Dr. Patricia Ribault vom deutsch-franz?sischen Projekt Behavioral Matters