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Jurist, Historiker und Literat

Am 30. November 2017 j?hrt sich der 200. Geburtstag des Nobelpreistr?gers Theodor Mommsen

Theodor Mommsen
Mommsen im Ehrenhof vor dem Hauptgeb?ude
der HU. Foto: Martin Ibold

Grübelnd sitzt er in einem schlichten Sessel, ein dickes Buch aufgeschlagen über dem Knie: Theodor Mommsen, festgehalten in einem Denkmal von Adolf Brütt, das heute im Ehrenhof vor dem Hauptgeb?ude der Humboldt-Universit?t steht. Ein prominenter Ort also und eine monolithische Skulptur für einen bis in unsere Zeit wirkenden Historiker und auch eigenwilligen Menschen, dessen Geburtstag sich am 30. November 2017 zum 200. Mal j?hrt.

Christian Matthias Theodor Mommsen kam in Garding im damaligen Herzogtum Schleswig als ?ltestes von sechs Geschwistern zur Welt. Der Vater war Pfarrer, die Verh?ltnisse ?rmlich. 1838 nahm er ein Jurastudium an der Universit?t Kiel auf und promovierte, doch besch?ftigte er sich ausgehend von seinen Studien zum r?mischen Recht zunehmend und intensiv mit Alter Geschichte. Ausgestattet mit einem d?nischen Reisestipendium, bereiste er ab 1844 vor allem Italien, um s?mtliche bekannten lateinischen Inschriften zu sammeln. Ein gigantisches Projekt, zumal erstmals das Prinzip der Autopsie – der eigenh?ndigen Prüfung von Originalen – ma?geblich war.

15 B?nde erschienen unter Mommsens Leitung

Wie Wilfried Nippel, Seniorprofessor für Alte Geschichte am Institut für Geschichtswissenschaften und Mommsen-Experte, erl?utert, habe der Nachwuchswissenschaftler geglaubt, dass ein solches Vorhaben innerhalb von 20 Jahren umsetzbar sei. ?Dazu hat Mommsen einen gro?en Wissenschaftsbetrieb geschaffen; arbeitsteilig, effizient, mit internationalen Kooperationen. 15 B?nde erschienen zu Lebzeiten unter seiner Leitung, fünf von ihm selbst ediert. Aber das Vorhaben existiert noch immer, heute an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.“

In kurzer Folge lehrte er ab 1848 Recht in Leipzig, Zürich und Breslau, 1858 war er am Ziel: mit einer Professur an der Preu?ischen Akademie der Wissenschaften, und 1861 mit einem Lehrstuhl für r?mische Altertumskunde an der Friedrich-Wilhelms-Universit?t. Der Disziplinwechsel war vollzogen. Warum hat Mommsen nicht gleich Geschichte studiert? ?Als eigene Disziplin etablierte sich die Geschichtswissenschaft erst im 19. Jahrhundert“, erkl?rt Nippel. ?Bis 1850 gab es nur einen Professor, der für die gesamte Weltgeschichte zust?ndig war, der nicht forschte und keine origin?ren Quellen heranzog.“ Darüber hinaus war Mommsen ?der Auffassung, dass er aufgrund seiner juristischen und philologischen Bildung den besseren Zugang zu ihr hatte“.

Nobelpreis für Literatur

Die Lehre war für Mommsen sekund?r, er las stets r?misches Privatrecht, bei seinen Studenten war er unbeliebt, sie nannten ihn ?das Rasiermesser“,wie Josef Wieseh?fer in seinem Band ?Theodor Mommsen: Gelehrter, Politiker und Literat“ zitiert. ?Ja, er war aufbrausend, dominant, hatte einen ausgepr?gten Willen“, best?tigt Nippel. Als Familienvater aber haftete ihm – mit seiner Frau Maria Auguste hatte er 16 Kinder – ein positives Bild an, das vor allem durch ein Buch von Tochter Adelheid Mommsen gepr?gt wurde.

Doch viel Zeit für die Familie wird er nicht gehabt haben. Denn Mommsen, dessen ?Idee es war, die R?mische Welt total zu erfassen und der insofern interdisziplin?r arbeitete“, so Nippel, verfasste im Laufe seines Lebens über 1500 Studien. Im Mittelpunkt: die dreib?ndige ?R?mische Geschichte“, für die er 1902 als erster Deutscher den Nobelpreis für Literatur bekam. Wieseh?fer erkl?rt den gro?en Erfolg des Werks mit ?Mommsens unvergleichlicher Art, verst?ndlich, lebendig und engagiert zu schreiben sowie Vergangenes zu aktualisieren“. Nippel lobt dessen ?literarischen Anspruch“, relativiert aber die Auszeichnung: Mommsen habe sie den politischen und religi?sen Vorbehalten gegenüber dem damaligen Favoriten Leo Tolstoi und einer ?sehr gro?zügigen Auslegung der Statuten“ zu verdanken. Es sollte ein junges oder gerade erst entdecktes Werk ausgezeichnet werden, und beides konnte man 40 Jahre nach Erscheinen und etlichen ?bersetzungen nicht behaupten.

An Theodor Mommsen kommt man auch heute nicht vorbei

Mommsens zweites Hauptwerk ist das fünfb?ndige ?R?mische Staatsrecht“, das mit seiner systematischen Behandlung von 1000 Jahren r?mischer Geschichte so grundlegend ist, ?dass sich jeder, der sich mit der staatlichen Ordnung Roms besch?ftigt, bis heute damit auseinandersetzen muss“. Mommsen beteiligte sich 1849 am Dresdner Maiaufstand, gründete 1861 die Deutsche Fortschrittspartei mit, sa? als Abgeordneter im preu?ischen Landtag und im Reichstag und ?u?erte sich immer wieder kulturpolitisch in Gastbeitr?gen. Sein politisches Engagement sei aber vorsichtig zu gewichten. ?Das waren Honorationenparlamente, die Politik nie seine Hauptbesch?ftigung“, sagt Wilfried Nippel. ?Dennoch hatte er eine gro?e Autorit?t. Wenn der als liberal geltende Mommsen, der gegen Imperialismus und Antisemitismus eintrat, sich ?u?erte, gab es gro?e Resonanz.“

Eben darauf zielen auch aktuelle Forschungsans?tze ab: Wie wirkte der ?ffentliche Mommsen? Besa? er, ?nur“ weil er ein genialer Historiker war, eine gr??ere Autorit?t als andere? Wie funktionierte der Transfer derselben? An Theodor Mommsen, der 1903 in Charlottenburg starb, kommt man auch heute nicht vorbei.

Autor: Michael Thiele

Der Artikel erschien zun?chst in der Tagesspiegel-Beilage der HU.

Konferenz ?Theodor Mommsen Heute“

Anl?sslich des 200. Geburtstags von Theodor Mommsen (1817-1903) veranstalten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Humboldt-Universit?t Berlin und der Freien Universit?t Berlin am 30. November und 1. Dezember 2017 gemeinsam die Konferenz ?Theodor Mommsen Heute“. Ihr Gegenstand ist das publizistische und wissenschaftliche Werk dieses Forschers, der als einer der bedeutendsten Historiker des 19. Jahrhunderts gilt und der den internationalen Ruf der Berliner Altertumskunde entscheidend mitbegründet hat.

Der Althistoriker Christian Meier wird in seinem ?ffentlichen Abendvortrag ?Theodor Mommsen“ am 30. November eine pointierte Skizze von Person und Werk vorstellen.

Wann und Wo?
18.15 Uhr, Humboldt-Universit?t zu Berlin,
Hauptgeb?ude, H?rsaal 2094

Der Eintritt ist frei.