Wie und warum eine Sprache funktioniert
Die Tradition Wilhelm von Humboldts, einem der Gründer der modernen
Sprachwissenschaft, wird im Sonderforschungsbereich (SFB) 632
?Informationsstruktur: Die sprachlichen Mittel der Gliederung von
?u?erung, Satz und Text“ der Humboldt-Universit?t zu Berlin
weitergeführt. In diesem Forscherverbund kooperieren
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen der
Linguistik, Psychologie und Germanistik der Universit?t Potsdam sowie
Linguistik und Afrikanistik der Humboldt-Universit?t zu Berlin. Der
Forscherverbund wurde 2003 mit Unterstützung der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) eingerichtet und befindet sich gegenw?rtig
in seiner zweiten Arbeitsphase.
Unter ?Informationsstruktur“ versteht man die Strukturierung von
sprachlicher Information, typischerweise zum Zweck der Optimierung des
Informationstransfers im Diskurs. Die zugrunde liegende Vorstellung ist,
dass dieselbe Information je nach Hintergrund und Ziel des Diskurses
verschieden aufbereitet und unterteilt werden muss. Ein Beispiel: Die
Frage Wer singt den Otello? kann mit Den Otello singt Pavorotti
beantwortet werden, wohingegen Was singt Pavorotti? in der Regel mit
Pavarotti singt den Otello beantwortet wird. Die Form des sprachlichen
Ausdrucks passt sich dabei an das augenblickliche Informationsbedürfnis
an, und dieses ist im Kontext der? beiden Fragen jeweils verschieden:
Die erste fragt nach dem S?nger, die zweite nach der Rolle.
Dieses Erfragte wird ?Fokus“ genannt; der Fokus ist ein wichtiger Aspekt
der Informationsstruktur. Es zeigt, dass sich die Sprachen in der Art
der Fokushervorhebung durchaus unterscheiden: Einige stellen den Fokus
vor das Verb (Ungarisch), andere kennen nur eingeschr?nkte
Akzentuierungsm?glichkeiten (Italienisch), wieder andere markieren den
Fokus nur dann regelm??ig, wenn es sich um das Subjekt handelt
(verschiedene westafrikanische Sprachen). Der SFB 632 untersucht Fokus
und andere Aspekte der Informationsstruktur nicht nur im Deutschen,
sondern auch in anderen europ?ischen, afrikanischen,
mittelamerikanischen und asiatischen Sprachen. Darüber hinaus wird in
Experimenten erhoben, welchen Einfluss die Informationsstruktur auf das
Sprachverst?ndnis hat und wie die dahinterstehenden grammatikalischen
Regeln von Kindern erworben werden.
Wichtige Forschungsresultate des SFB 632 wurden kürzlich in einem bei
Oxford University Press erschienenem Sammelband vorgestellt, der
Beitr?ge von SFB-Mitarbeitern und Gastwissenschaftlern vereinigt. Das
Werk verbindet in neuartiger Weise theoretische Aspekte mit solchen der
sprachvergleichenden und -historischen Forschung sowie Ergebnissen der
Psycholinguistik. Dabei stehen drei Aspekte im Mittelpunkt des
Interesses: Das Zusammenspiel der relevanten sprachlichen Ebenen, wie
z.B. Satzbau und Wortwahl im Ausdruck der Informationsstruktur, eine
sprachvergleichende Typologie der informationsstrukturierenden
Ausdrucksmittel sowie die kognitive Verarbeitung der Informationsstruktur.
In den Sonderforschungsbereich "Informationsstruktur: Die sprachlichen
Mittel der Gliederung von ?u?erung, Satz und Text" sind 15 Projekte mit
insgesamt 42 Wissenschaftlern involviert. Gemeinsame Ziele sind die
Formulierung integrativer Modelle der Informationsstruktur, die
Ergründung der Einflüsse der Informationsstruktur in den verschiedenen
Teilgebieten der Sprachwissenschaft, das Studium der Einbettung
informationsstruktureller Gesetze in die menschliche Kognition bei
Verarbeitung und Erwerb einer Sprache sowie die Umsetzung der
Erkenntnisse in praktische Anwendungen.
Malte Zimmermann & Caroline Féry, Information Structure: Theoretical,
Typological, and Experimental Perspectives, Oxford University Press, 29.
Oktober 2009. 352 Seiten.
WEITERE INFORMATIONEN
Prof. Dr. Manfred Krifka
Humboldt-Universit?t zu Berlin????????????
Tel.: 030 2093-9670????????????????
Mail: krifka@rz.hu-berlin.de????????????
http://www.sfb632.uni-potsdam.de/
Prof. Dr. Malte Zimmermann
Tel.: 0331 977-2319
mazimmer@uni-potsdam.de