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Vom Wissen, vieles nicht zu wissen

Der Philosoph Michael Pauen erforscht die Vorstellung von Bewusstsein heute und gestern.

K?pfe

Abbildung: Leo Seidel

Inwieweit ist es m?glich, Bewusstsein wissenschaftlich zu erkl?ren? Diese Frage besch?ftigt die Menschheit schon seit Tausenden von Jahren, und ein Ende dieses Forschungs- und Erkenntnisprozesses ist nicht in Sicht.

?Jede Generation sieht vor allem die eigenen Fortschritte gegenüber der Vergangenheit. Das führt h?ufig zu dem Schluss, man stehe kurz vor der endgültigen L?sung. Aber das ist eine Illusion. Um das zu erkennen, muss man sich nur die geschichtliche Entwicklung anschauen“, sagt Michael Pauen, Philosophieprofessor an der Humboldt-Universit?t zu Berlin (HU) und Sprecher der Berlin School of Mind and Brain. Er untersucht, wie sich die Vorstellung des Bewusstseins im Laufe der Zeit ver?ndert hat, und welche Bedeutung diese Ver?nderungen für die moderne Erforschung von Geist und Gehirn hat.

Von der Seele zum Bewusstsein

?Angefangen hat alles mit der Seelenvorstellung. So geht beispielsweise die Bibel davon aus, dass Gott einem aus Lehm geschaffenen K?rper seinen Atem einhauchte; das war die Seele. Seit dem 17. Jahrhundert wird diese Seelenvorstellung nach und nach durch den Begriff des Bewusstseins abgel?st.“ Auf diese Weise werden v?llig neue Fragestellungen m?glich, so der Wissenschaftler. Statt sich auf einen g?ttlichen Sch?pfungsakt zu berufen, konnte man nach den natürlichen Grundlagen des Bewusstseins fragen.

Die Antworten lassen aber auch die jeweiligen Grenzen des zeitgen?ssischen Wissens erkennen. Descartes habe sich die Nerven als R?hrchen vorgestellt, in denen sich kleine Kügelchen bewegen. ?Ihm fehlte das Grundlagenwissen über elektrische und chemische Prozesse. Aber wir sollten nicht meinen, dass es uns ganz anders geht. Natürlich wissen wir zwischenzeitlich viel mehr, aber auch wir verkennen unsere Defizite. Sie liegen au?erhalb unserer Vorstellungskraft!“

Was wissen wir über das Gehirn?

Was Pauens Herangehensweise so besonders macht, ist genau das. Er geht einen Schritt zurück, begibt sich auf eine Metaebene und blickt von da aus auf die aktuelle Forschung. ?Auf diese Weise wird deutlich, dass wir es mit einer v?llig offenen Situation zu tun haben“, so der Philosoph. Wir sollten daher erkennen, dass wir in Bezug auf Gehirn und Bewusstsein unglaublich vieles nicht wissen. Hinzu kommt, dass der Forschungsprozess unsere Vorstellung von dem Problem ver?ndert, das wir zu l?sen versuchen. ?Auch, wenn es angenehmer ist, so zu tun, als w?ren wir am Ende des Erkenntnisprozesses, muss man sich dieser Tatsache stellen. Das ist natürlich manchmal unbefriedigend und beklemmend, gleichzeitig kann solch eine Ver?nderung des Blickwinkels Gro?es bewirken.“

Insbesondere die Befreiung von der Lehre für ein bis zwei Semester soll den Wissenschaftlern Raum für ihre Forschung geben. ?Sp?ter flie?en die Ergebnisse aber wieder gezielt in die Lehre ein“, sagt Pauen. Ich habe bereits ein Seminar zur Geschichte des Seelenbegriffs gehalten, ein weiteres, interdisziplin?res Seminar wird folgen.“

Unterstützt durch die Exzellenzinitiative

Unterstützung für sein Projekt erh?lt der Forscher durch die F?rderlinie ?Freir?ume“. Das im Zuge der Exzellenzinitiative entstandene Programm zielt darauf ab, die Umsetzung besonders vielversprechender Vorhaben von Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftlern zu erm?glichen. ?Das Angebot ist wirklich grandios! Die meisten F?rderungen sind ja auf die Bedürfnisse von Naturwissenschaftlern und die Arbeit in Gruppen zugeschnitten. Freir?ume bietet nun auch Geisteswissenschaftlern die M?glichkeit, erfolgreich und unter sehr guten Bedingungen zu forschen und zu publizieren.“

Am Ende von Pauens Forschungsvorhaben wird eine Monographie mit dem Titel die Natur des Geistes stehen.

Text: Katja Riek

Der Text ist erstmals in der HUMBOLDT November 2015 erschienen.

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Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler der HU k?nnen ebenfalls profitieren: Sie k?nnen sich bis 1. Dezember 2015 für die F?rderlinie ?Freir?ume“ bewerben.

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