Die cappella academica wird 50
Abbildung: Katrin Hepach
Der exakte Gründungstag l?sst sich nicht mehr ermitteln: in der ersten Februarh?lfte 1966. Eine offizielle Gründungsurkunde gibt es nicht. Von den ersten Mitgliedern sind zum Teil nicht einmal mehr die Namen bekannt. Auch eine Bezeichnung für dieses Orchester gab es zun?chst noch nicht.
All diese mehr oder weniger formalen Dinge waren den ersten acht jungen Mitspielern und dem ?lteren Herrn, der seine musikalischen Erfahrungen weitergeben wollte, zun?chst überhaupt nicht wichtig. Was z?hlte, war einzig und allein der Wunsch, gemeinsam klassische Musik zu spielen.
50 Jahre sp?ter steht der Name cappella academica für Wohlklang, die Zahl der Mitspieler ist auf 70 angewachsen, aber an der Grundhaltung hat sich nicht viel ge?ndert. Wer hier mitmacht, hat Spa? und Lust am professionellen Spiel und sch?tzt die ganz besondere, freundschaftliche Atmosph?re.
Jubil?umskonzert
Das Jubil?um wird am 17. Januar 2016 mit einem Konzert im Konzerthaus am Gendarmenmarkt gefeiert. Dabei wird die Komposition "Novem" uraufgeführt.
"Novem" - eine Uraufführung zum Jubil?um
Die Filmkomponistin Annette Focks hat das Stück "Novem" zum 50-j?hrigen Jubil?um komponiert.
Frau Focks, hatten Sie Vorgaben für das Jubil?umsstück?
Das Orchester hat mir keine Vorschriften gemacht und mich sehr herzlich aufgenommen. Sie wünschten sich lediglich, dass das Stück, da es sich ja um ein Jubil?umskonzert handelt, ihre besondere Orchestergeschichte widerspiegelt.
Was hat Sie bezüglich des Werks inspiriert?
Die Gespr?che mit den Orchestermusikern waren für mich sehr wichtig: Sie haben mir erz?hlt, wie eng die Geschichte des Orchesters mit der deutschen Geschichte der Wiedervereinigung verbunden ist. Meine Musik erz?hlt daher nicht nur die Geschichte des Orchesters, sondern auch die Geschichte des geteilten Deutschlands, der Wiedervereinigung sowie von der Zeit danach.
K?nnen Sie uns einen Klangeindruck des Stücks geben?
Ich habe in dem Werk "Novem" mit verschiedenen Klang- und Stilmitteln gearbeitet: Es gibt S?tze, die sehr rhythmisch sind, fast jazzig, aber dazwischen gibt es auch sehr melancholische, emotionale Passagen.
Die cappella ist kein Profiorchester – inwiefern ist das beim Komponieren miteingeflossen?
Das stimmt, aber viele Mitglieder k?nnten durchaus Profis sein. Manchmal ist es besser, damit kein Geld verdienen zu müssen, dann bleibt man frei für die Musik. Ich habe mich bemüht, dass alles spielbar ist. Es gibt für einige Instrumente allerdings auch ?u?erst schwierige Passagen, beispielsweise für die erste Trompete. Ich habe mich vorher erkundigt, welche Musiker und Musikerinnen solistisch schwere Passagen spielen k?nnen und habe für einige von ihnen sehr anspruchsvolle Soli komponiert.
Haben Sie eine Vorliebe für ein bestimmtes Instrument innerhalb eines Orchesters?
Ich liebe alle Instrumente des Orchesters. In ?Novem“ haben die Trompete und das Schlagzeug eine besondere Rolle, weil sie die Expressivit?t des zweiten Satzes so wunderbar zum Ausdruck bringen k?nnen. In anderen S?tzen spielen wiederum die erste Violine, das erste Cello und das erste Horn wichtige Solopassagen. Aber ansonsten würde ich sagen, dass alle Instrumentengruppen in diesem Stück gleichberechtigt sind.
Sie arbeiten mit vielen Orchestern – was macht die cappella academica aus?
Ich bewundere die Energie und die Leidenschaft dieses Orchesters. Die Liebe zur Musik ist bei jedem einzelnen Orchestermitglied spürbar. Auch die Organisation ist etwas ganz Besonderes, denn die Musiker managen alles selbst. Ich freue mich schon auf die n?chsten 50 Jahre der cappella academica.
Das Gespr?ch führte Katja Riek.
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Der Mathematiker mit dem Kontrabass
Ulrich Scheidereiter
Abbildung: Peter Wolter
Sehr glücklich, aber auch ein bisschen wehmütig sieht Ulrich Scheidereiter dem gro?en Sinfoniekonzert zum 50-j?hrigen Bestehen der cappella academica am 17. Januar entgegen. ?Das ist eine ganz besondere Z?sur, weil wir noch Gründungsmitglieder dabei haben“, sagt er, ?wenn wir in vielleicht 25 Jahren wieder ein gro?es Jubil?um haben, wird sich das nicht wiederholen. Dann ist die cappella in den Strom der Zeit eingebettet. Man wei? vielleicht aus Festschriften von ihren Wurzeln, es gibt aber niemanden mehr mit pers?nlichen Erinnerungen an sie.“
Scheidereiter ist eines dieser Gründungsmitglieder. Es muss 1967 gewesen sein, als der Mathematiker zum Orchester der Humboldt-Universit?t gesto?en ist. Damals studierte er seit zwei Jahren in der Hauptstadt der DDR, 1970 war er fertig, es folgte eine Promotion in Psychologie, die er 1978 abschloss. Er l?chelt, denn er wei?, dass das heute als lange gilt. ?Ich war in keinem Promotionsprogramm, sondern hatte eine volle Assistentenstelle. Ich habe ziemlich viel gelehrt – jeder, der in Berlin Psychologie studiert hat, kannte meinen Namen, auch weil der etwas ungew?hnlich ist“, sagt er und lacht.
Erfüllung eines Lebenstraums – einziger Kontrabassist beim Oratorium
Bis zu seiner Rente 2011 hat Scheidereiter an der HU gelehrt und geforscht, dabei ist ihm die cappella stets wichtig gewesen. Er erinnert sich: ?Wenn ich müde und gestresst von der Arbeit kam, waren die w?chentlichen Proben eine anstrengende, aber positive Erholung. Danach waren mein Kopf und meine Seele wieder klar und erfrischt.“ Auch seine musikalischen Vorlieben konnte er in beinahe fünf Jahrzehnten ausleben. Der Kontrabassist schw?rmt für Brahms, Schumann, Tschaikowsky und Dvo?ák, aber auch Bach, und da f?llt ihm ?die Erfüllung eines Lebenstraums“ ein. Einmal h?tten sie das Weihnachtsoratorium von Bach gespielt, bei dem die Continuo-Stimme meist mit zwei bis drei Celli, einem Fagott und einem Kontrabass besetzt wird. ?Ich durfte das Oratorium als einziger Kontrabassist spielen“, strahlt er.
Gleichwohl gibt es nicht nur die Musik in Ulrich Scheidereiters Leben. Mit seiner Frau – einer ?rztin im Ruhestand, mit der er schon im Gymnasium Musik gemacht hat und die sp?ter auch in der cappella war – ist er Teil ?einer sehr gut funktionierenden Familie“. Zwei Kinder und fünf Enkelkinder haben die beiden, den Gro?en helfe er inzwischen bei der Abiturvorbereitung in Mathematik. Dann ist da noch das Segeln. ?Wir haben ein Boot, mit dem wir im Urlaub drei, vier Wochen auf der Mecklenburger Seenplatte und an der Ostseeküste unterwegs sind“, berichtet Scheidereiter. Einmal ist er gar auf dem Pazifik von Australien bis Neuseeland, von dort nach Tahiti, auf dem Rückweg nach Tonga auf einem hochseetüchtigen Katamaran mitgesegelt.
Eine Freiheit, die der 1947 in Caputh Geborene nicht immer hatte. Aus einem christlichen Elternhaus stammend, führte er in der kirchenskeptischen DDR wie viele ein Doppelleben. ?Man redete nicht mit allen über alles, man machte eben ein Stück weit mit“, erinnert sich Scheidereiter, der erlebt hat, wie Studierende aus politischen Gründen relegiert oder für ein Jahr in die Produktion geschickt wurden. Doch seit diesen Tagen ist viel passiert, eine neue Freiheit hat in der Humboldt-Uni Einzug gehalten, und ein bisschen wird auch das beim Jubil?umskonzert mitgefeiert.
Text: Michael Thiele
Interview und Portr?t wurden gekürzt. Die vollst?ndigen Texte finden Sie in der HUMBOLDT Januar 2016.
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Website der cappella academica
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