Chancen und Risiken von TTIP und CETA
Nach drei Jahren z?hen Verhandlungen über das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der Europ?ischen Union scheint eine Umsetzung der weltweit gr??ten Freihandelszone in immer weitere Ferne zu rücken. Nicht nur auf europ?ischer Ebene, auch auf Bundesebene wird kontrovers über die Rahmenbedingungen eines Abkommens diskutiert.
Prof. Dr. Florentine Schwark, Juniorprofessorin an der Humboldt-Universit?t zu Berlin (HU) am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, leitet das Fachgebiet Makro?konomie und Finanzm?rkte und besch?ftigt sich mit den aktuellen Entwicklungen und den etwaigen Auswirkungen im Falle einer Zustimmung zu einem der Freihandelsabkommen.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat TTIP bereits als gescheitert erkl?rt, Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen will die Verhandlungen weiterführen. Gibt es noch eine realistische Chance, dass TTIP jemals in Kraft tritt?
Florentine Schwark: Zum heutigen Zeitpunkt ist das schwer abzusch?tzen, da die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind. Vonseiten der Europ?ischen Kommission gibt es durchaus positive Zeichen, in den nationalen europ?ischen Parlamenten wird allerdings kontrovers diskutiert. In den USA gilt es, die Wahl abzuwarten, da beide Pr?sidentschaftskandidaten zurzeit auf Distanz zu TTIP gehen und auch die Abgeordneten im Kongress uneinig sind. Welche Rolle die nationalen europ?ischen Parlamente bei der Ratifizierung des Abkommens haben werden, wird erst nach Fertigstellung des Vertragstextes festgelegt werden.
Wie sieht es bei CETA aus, dem Abkommen der EU mit Kanada?
CETA ist ein bereits seit 2014 fertig verhandeltes Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. CETA ist ein gemischtes Abkommen, was bedeutet, dass Teile des Abkommens in die Verantwortlichkeit der EU-Mitgliedsstaaten fallen. Das Abkommen soll zun?chst vorl?ufig angewendet werden. In diesem Jahr stehen dann allerdings noch die Abstimmungen der nationalen Parlamente an. Diesen werden noch ausführliche Debatten vorweggehen, da auch CETA ohne Mitsprache der nationalen Parlamente verhandelt wurde und der Widerstand dort entsprechend gro? ist.
Warum werden diese Freihandelskommen unter Ausschluss der ?ffentlichkeit verhandelt?
Die Europ?ische Kommission begründete die Geheimhaltung als Schutz vor der Schw?chung ihrer Verhandlungsposition. Im Falle einer Ver?ffentlichung von einzelnen Passagen k?nnten Unternehmen oder Mitgliedsl?nder Nachteile befürchten und die Verhandlungen erschweren. Durch den Ausschuss der ?ffentlichkeit soll also – nach Ansicht der Europ?ischen Kommission – das Allgemeinwohl vor Partikularinteressen geschützt werden. Faktisch wurde das Abkommen damit allerdings ohne Kontrolle der nationalen Parlamente oder des EU-Parlaments verhandelt.
Wirtschaftswachstum, Wohlstand, Schaffung von Arbeitspl?tzen — wer sind die Befürworter und was versprechen sie sich von dem Abkommen?
Das Freihandelsabkommen wird besonders durch die Wirtschaft gestützt, die sich das Wegfallen von tarif?ren und nichttarif?ren Handelshemmnissen und einen erh?hten Investitionsschutz erhofft. Aber auch die Politik treibt das Handelsabkommen voran, da sie das Ziel hat, einen weltweiten Standard für Freihandelsabkommen zu setzen. TTIP würde schlie?lich durch den EU-Binnenmarkt und die USA einen Gro?teil des weltweiten Bruttoinlandsprodukts umfassen. Befürworter argumentieren mit positiven Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt. Allerdings k?nnen Chancen und Risiken in der Bev?lkerung unterschiedlich verteilt sein.
Abschaffung von erk?mpften EU-Standards im Bereich Gesundheit, Umwelt und Arbeitsrecht, Elitenf?rderung, Demokratieunterwanderung ?—der Freihandel hat es aktuell nicht leicht. Welche Gefahren für Verbraucher k?nnten durch Freihandelsabkommen im Allgemeinen entstehen?
Zus?tzlich zu den von Ihnen genannten Punkten ist es schwer, wirtschaftliche Ver?nderungen durch Freihandelsabkommen vollst?ndig einzusch?tzen. Es müssen auch Folgen für den intereurop?ischen Handel und den Handel mit Drittstaaten miteinbezogen werden. Für den Verbraucher kann das sehr unterschiedliche Auswirkungen haben. Grunds?tzlich muss sichergestellt sein, dass demokratische Grundprinzipien eingehalten werden. Einrichtungen wie internationale private Schiedsgerichte dürfen nicht ohne Rechtsgrundlage bleiben. Zudem gibt es die Gefahr, dass ein Abkommen zukünftig fast unver?nderlich ist, wenn die Ver?nderung des Abkommens die Zustimmung aller Unterzeichnerstaaten erfordert. Der Einfluss des Verbraucherschutzes w?re damit extrem eingeschr?nkt.
Am 17. September wird in sieben deutschen Gro?st?dten zu einer Gro?demonstration aufgerufen, darunter auch in Berlin. Bei der letzten Gro?kundgebung für gerechteren Welthandel am 10. Oktober 2015 in Berlin waren mehr als 250.000 Protestanten mit dabei. Was treibt diese Menschen an, gegen ein solches Abkommen zu protestieren? Ist Freihandel per se tabu geworden?
Die Menschen haben Angst, bereits erk?mpfte Rechte und Standards zu verlieren und den Kr?ften international agierender Unternehmen ungeschützt ausgesetzt zu sein. Auch die Intransparenz des Verfahrens erh?ht den Widerstand in der Bev?lkerung. Von der Politik wird erwartet, ihr Handeln gegenüber den Bürgern transparent darzulegen. Die Idee des Freihandels selber scheint mir kein Tabuthema zu sein. Besonders in Europa ist der Handel zwischen einzelnen Staaten, der einheitliche Binnenmarkt, das Herzstück der EU, und die Menschen haben dies verinnerlicht. Bei TTIP wird sich nun zeigen, ob Europ?er und US-Amerikaner einen gemeinsamen Nenner bei den Standards finden. Und ob es sich dabei nicht nur um den kleinsten gemeinsamen Nenner handelt, der die Verbraucher auf der Strecke l?sst.??????????????
Das Interview führte Markus Lemke
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Interview mit Wirtschaftshistoriker Prof. Dr. Nikolaus Wolf zum Thema Freihandelsabkommen
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Prof. Dr. Florentine Schwark
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