Trockenw?lder schützen hei?t Klima schützen
Gerodete Fl?che im Argentinischen Chaco. Drei Wochen vor Aufnahme des Fotos stand hier noch ein Quebrachowald. Der Quebracho blanco ist der typische Baum dieser Region. Abbildung: privat
Matthias Baumann ist PostDoc am Geographischen Institut der Humboldt-Universit?t zu Berlin (HU). Nach seinem Diplom an der HU ging er an die University of Wisconsin-Madison und kehrte 2014 mit einem Doktortitel zurück. Seitdem forscht er unter der Leitung von Prof. Tobias Kümmerle im gut 10-k?pfigen Conservation Biogeography Lab. Hier geht es um Fragestellungen zum globalen Landnutzungswandel und gekoppelten Mensch-Umwelt-Systemen.
Zuletzt hat Matthias Baumann in einer Gemeinschaftsstudie mit Kollegen aus Argentinien sowie vom HU-Forschungsinstitut IRI THESys die fortschreitende Entwaldung des südamerikanischen Gran Chaco untersucht. Der Gran Chaco ist eine Region aus Trockenw?ldern, Dornbuschsavannen und Grasslandschaften im Inneren Südamerikas. Mit rund 1,1 Millionen Quadratkilometer Fl?che umfasst er Teile Boliviens, Argentiniens und Paraguays.
Die Wissenschaftler haben gefragt, wie die Abholzung des Chaco-Waldes und die Ausbreitung von Weide- und Sojafl?chen die CO2-Emmissionen beeinflussen, und somit eine negative Wirkung auf das Klima haben. Die Studie erschien kürzlich im renommierten Fachmagazin Global Change Biology. Im Oktober vergangenen Jahres reiste die Gruppe in den Chaco und brachte neue Erkenntnisse und die Motivation für eine Anschlussstudie mit.
Herr Baumann, wie sind Sie darauf gekommen, die Klimarelevanz eines tropischen Trockenwaldes zu untersuchen?
Matthias Baumann: Bisher wurde in der globalen Klimadiskussion haupts?chlich auf die Abholzung von tropischen Feuchtw?ldern, vor allem des Amazonas, geschaut. Entsprechend wurden Anstrengungen unternommen, hier die Entwaldung zu bremsen und somit den Aussto? von Treibhausgasen zu reduzieren – zum Teil mit beachtlichem Erfolg. Dass die Vernichtung von tropischen Trockenw?ldern ebenso klimawirksam ist, ist bisher nur in der Wissenschaft bekannt. Entsprechend wurde bislang kaum etwas für den Schutz solcher W?lder getan.
Erkl?ren Sie noch einmal allgemein: Warum wirkt sich die Abholzung von Wald negativ auf das Klima aus?
Um landschaftliche Fl?chen zu schaffen, wird nach der Rodung der Wald verbrannt – vor allem, wenn das Holz für die Weiterverarbeitung nicht brauchbar ist. Das ist kostengünstiger und schneller als ein Abtransport. Beim Verbrennen wird Kohlenstoff, der in der Vegetation in Bl?ttern, ?sten, St?mmen und Wurzeln gebunden wird, freigesetzt. Infolge der Entwaldung wird also dasselbe Treibhausgas wie beispielsweise bei der Kohleverbrennung produziert. Das findet in solchen Mengen statt, dass wir heute wissen, dass der Landnutzungswandel neben der Verbrennung fossiler Energietr?ger einer der treibenden Faktoren des Klimawandels ist.
Welche Rolle spielt der Gran Chaco in diesem Kontext?
Wir haben in unserer Studie den Gran Chaco als einen Hotspot der globalen Entwaldung identifiziert. Zwei Entwicklungen der vergangenen 30 Jahre haben wir aufzeigen k?nnen: Zum einen sind dem Chaco mehr als 20 Prozent des Waldes verloren gegangen. Das ist die doppelte Fl?che von Bayern. Jetzt weiden dort Rinder für die Fleischproduktion, auf dem Rest werden haupts?chlich Monokulturen angebaut. Zum anderen sind 40 Prozent von den Weidefl?chen, die schon bestanden, zu Anbaufl?chen umgewandelt worden – vor allem für Soja. Das Soja wird nach Europa und China verschifft, und hier haupts?chlich für die Tiermast verwendet, um den weiter steigenden Hunger nach Fleisch zu stillen.
Es gibt also diese zwei Entwicklungen im Chaco: Die Ausdehnung und Intensivierung der Landwirtschaft. Mit welchem Effekt?
Im Kern konnten wir zeigen, dass die resultierenden Treibhausgasemissionen im Chaco von ?hnlicher Gr??enordnung sind wie jene in den benachbarten Entwaldungshotspots im tropischen Regenwald. Das hat uns schon überrascht, da in letzteren deutlich mehr Kohlenstoff in der Vegetation gebunden ist. Insofern sind unsere Ergebnisse auch ein Indikator dafür, wie schnell die Entwaldung im Chaco voranschreitet. Hauptproblem mit 60 Prozent des Gesamtaussto?es ist die Umwandlung von Wald in Rinderweiden, aber auch die sp?tere Umwandlung von Weidefl?chen in Sojafelder schl?gt stark durch.

Neben Soja und Sonnenblumen wird auf
den einstigen Wald- oder Weidefl?chen auch
Baumwolle angebaut. Abb.: privat
Wie sind Sie in der Studie vorgegangen, und wie haben Sie die Emissionswerte errechnet?
Wir haben Satellitenbilder aus dem Zeitraum 1985 bis 2013 ausgewertet. So konnten wir den Verlauf der Entwaldungsfronten rekonstruieren – also sehen, wie an mehreren Stellen von au?en in den Kern des Chacos hineingerodet wird. Daraus sind Karten und Schaubilder entstanden, die wiederum Schlüsse auf Ursachen und L?sungen zulassen. Mit einem Kohlenstoffmodell haben wir dann errechnet, wie der Landnutzungswandel zur Kohlenstoffbilanz beitr?gt.
Was ist also zu tun?
Aufkl?ren und informieren, das Problem beschreiben und in die ?ffentlichkeit bringen. Wir haben ganz klar das Ziel, mit der Studie auf die Gefahr des Verschwindens von tropischen Trockenw?ldern hinzuweisen. Das ist für uns alle relevant. Wenn die Internationale Gemeinschaft das Problem kennt, besteht auch die M?glichkeit einzugreifen – also zum Beispiel Schutzgebiete nach dem Vorbild der tropischen Feuchtw?lder einzurichten. Bisher gibt es im Chaco viel zu wenige: Insgesamt sind nur 15 Prozent der Fl?che geschützt, im argentinischen Teil sind es sogar nur drei Prozent. Oft haben im Chaco wirtschaftliche Interessen Vorrang vor Naturschutz. Das haben wir live erlebt: Für 3.500 Dollar pro Hektar inklusive Rodung h?tten wir Wald kaufen k?nnen. Hier sollte man von staatlicher Seite mehr steuern.

Die Nutzung des Gran Chaco in einem Bild: Weide,
gerodeter (abgebrannter) Wald, intakter Wald,
Acker (Uhrzeigersinn). Abb.: Matthias Baumann
Werden Sie sich weiter mit dem Chaco besch?ftigen?
Unsere Reise dorthin hat uns enorm motiviert, die Studie weiterzuentwickeln. In der aktuellen sind wir quantitativ vorgegangen, haben uns also auf Daten gestützt. In der n?chsten wollen wir unsere 金贝棋牌 mit sozialwissenschaftlichen Erhebungen kombinieren – also Gespr?che vor Ort mit den Eigentümern und Nutzern der Fl?chen führen. Somit k?nnen wir unser Material verfeinern, um noch besser die Entwaldungsentwicklung zu dokumentieren und zu verstehen.
Das Interview führte Christin Bargel – Pressereferentin der HU
?ber die Studie
Baumann, Matthias et al. (2016). Carbon Emissions from Agricultural Expansion and Intensification in the Chaco. Global Change Biology. Online abrufbar seit 26.10.2016.
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Matthias Baumann
Postdoctoral Researcher
Humboldt-Universit?t zu Berlin
Tel.: 030 2093-9341
matthias.baumann@geo.hu-berlin.de