Einstein im freien Fall

Teil des Berliner Raketenteams: Marc Christ, Julia
Pahl, Markus Krutzik, Franz Gutsch, Vladimir
Schkolnik, Bastian Leykauf und Klaus D?ringshoff
(v.l.n.r) Abbildung: Peter Gotzner
Undeutlich ausgesprochen kann der Eindruck entstehen, die Arbeit von Dr. Markus Krutzik sei das Wetter. Auch wenn der charismatische Physiker aus der Arbeitsgruppe Optische Metrologie (Prof. Achim Peters, Ph.D.) problemlos als fernsehtauglicher Wetter-Prophet durchgehen k?nnte, so hat der junge Forscher sich Lasern, Quanten und Raketen verschrieben – nicht dem Wind. Das Messen physikalischer Gr??en ist seine Spezialit?t, und für sein aktuelles Forschungsprojekt MAIUS ist es die Schwerkraft.
Die Technologie, die er dafür in dem Projekt am Institut für Physik zusammen mit Kollegen entwickelt, k?nnte weitreichende Folgen auf allen Teilgebieten der Forschung haben und eine neue Art von besonders pr?zisen Sensoren hervorbringen: Quantensensoren. Mit denen lie?e sich beispielsweise zukünftig der Klimawandel besser vermessen oder das Gravitationsfeld der Erde genauer kartographieren. Und pr?zisere Daten sind nicht nur für Forscher weltweit eine Goldgrube, um die Erde und ihren Aufbau besser zu verstehen. Die Industrie baut auf sie, sei es auf der Suche nach Rohstoffen tief unter der Oberfl?che oder einfach nur für genauere Karten. Im extremsten Fall k?nnte Krutziks Forschung aber sogar einer der berühmtesten Theorien Ungenauigkeiten nachweisen und die physikalische Welt ins Wanken bringen. Die Allgemeine Relativit?tstheorie besch?ftigt sich intensiv mit der Schwerkraft und ist die Grundlage für unser GPS. Sie l?sst sich mit dem MAIUS-Projekt ungew?hnlich genau überprüfen, um sie gegebenenfalls weiterzuentwickeln und an die Quantenwelt anzupassen.
Je kleiner die Ebene, desto mysteri?ser scheinen die Vorg?nge
Vorg?nge, die in unserer fassbaren, makroskopischen Welt stattfinden, unterliegen physikalischen Gesetzen, die nicht nur Wissenschaftler einleuchten, sondern jeder im Alltag verinnerlicht hat. Ganz gleich, ob ein Apfel zu Boden f?llt oder ein Mond kreist: Das Verhalten ist berechenbar und mit der eigenen Wahrnehmung im Einklang. Je kleiner jedoch die Ebene wird, in die Forscher unsere Welt zerlegen, desto mysteri?ser und ungewohnter scheinen die Vorg?nge. Geschwindigkeit und Orte von Objekten werden schwammig und unscharf. Sogar die Unterscheidung, ob ein Objekt Teilchen oder eine Welle ist, f?llt schwer. Man betritt die Welt der Quantenphysik, die Welt der kleinsten
Teilchen Sensoren, die auf dieser Ebene arbeiten und die Krutzik und sein Team weiterentwickeln und anwendungstauglich machen, bestanden bis vor einigen Jahrzehnten nur theoretisch. Ihre Vorteile: Sie sind klein, energieeffizient und besonders empfindlich und schnell – perfekt fürs All. MAIUS ist daher eine Messapparatur für das kalte Vakuum und soll Mitte Januar in Nord-Schweden, zwischen Schnee und Rentieren und bei bis zu minus 30 Grad Celsius, auf einer Rakete in den Himmel bef?rdert werden.
Lasersystem in der Schwerelosigkeit

Dieses Vorg?ngerexperiment ist bereits im Weltall
geflogen und testet die für MAIUS entwickelte
Lasertechnologie. Abbildung: Peter Gotzner
Von seiner Bestimmung leitet sich auch der Name des Projekts MAIUS ab. Es ist ein MAteriewellenInterferometer Unter Schwerelosigkeit. Die Berliner Forscher konstruierten dabei das Lasersystem, das in der Schwerelosigkeit im All seinen Dienst verrichten soll. Das gesamte Vorhaben ist eine Zusammenarbeit verschiedener nationaler Universit?ten und Forschungsinstitute, zu denen auch die Humboldt-Universit?t und das Ferdinand-Braun-Institut für H?chstfrequenztechnik der Leibniz-Gemeinschaft geh?ren. Gef?rdert wird das Vorhaben vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
Statt nur mit Laserlicht zu arbeiten, wie gew?hnliche Interferometer, die zwei Lichtwellen überlagern und bei kleinsten Unterschieden der Wellen ein deutlich ablesbares Muster erzeugen, nutzen die Physiker Materie. Sie überlagern Atome, genauer gesagt, deren Materiewellen. Dafür erzeugen sie im Weltraum sogenannte Bose-Einstein-Kondensate. Das ist ein besonderer Zustand von Materie, der bei einer Temperatur von nur einem Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt auftritt. ?ber das ungew?hnliche Verhalten dieser kalten Gaswolken dringen Krutzik und seine Kollegen dabei in die Quantenwelt und -physik vor.
Versuche in 250 Kilometern H?he
In der ersten Phase des Projekts kühlen sie dafür eine Rubidium-Gaswolke stark herunter, die sie dann mit Laser manipulieren und vermessen. In sp?teren Projektphasen soll noch das Element Kalium hinzukommen, um den freien Fall der unterschiedlich schweren Elemente pr?zise mit dem Interferometer zu vergleichen.
In etwa 250 Kilometern H?he werden die Versuche stattfinden. Die hochempfindlichen Ger?te verbringen dort einige Minuten in Schwerelosigkeit. Die Physiker k?nnen so einen Zustand frei von st?renden Einflüssen nutzen, der auf der Erde nur mit Mühe zu erzeugen ist. Schon in Vorg?ngerexperimenten stellten die Forscher in Falltürmen das All nach, um die Instrumente überhaupt konzipieren zu k?nnen.
Neben der Verkleinerung des Apparates, die eine Integration in die Rakete erst erm?glichte, sind die extremen Bedingungen beim Start eine Herausforderung gewesen, verr?t Krutzik. Um den Quantensensor weltraumtauglich zu bekommen, waren zahlreiche Tests n?tig. ?Als wir das System auf Vibrationstischen das erste Mal auf seine Robustheit getestet haben, haben sich einige Schrauben rausgedreht“, berichtet er. Der Start sei eine gro?e Belastung für den Versuchsaufbau. Und auch über die Abschirmung der empfindlichen Instrumente vor Au?entemperaturen der Rakete von bis zu 250 Grad Celsius mussten sich die Forscher Gedanken machen.
Was genau ist Schwerkraft?
Auf theoretischer Ebene steht das sogenannte ?quivalenzprinzip als Fernziel der MAIUS-Missionen auf dem Prüfstand. ?Es besagt, dass eine Feder und Bleikugel im freien Fall im Vakuum gleich schnell fallen“, so Krutzik. Das sei einer der Grundpfeiler der Allgemeinen Relativit?tstheorie. ?Wir wollen mit unterschiedlich schweren Atomen prüfen, ob das bis zur 13. Nachkommastelle gilt.“ Bisher lassen sich alle Teilgebiete der Physik gut in einer Quantentheorie vereinigen – bis auf die Schwerkraft. Daher sei es besonders elegant gerade diese Kraft mit Quantenobjekten zu untersuchen, um m?gliche Abweichungen und Unstimmigkeiten aufzudecken, erkl?rt der Physiker.
Unabh?ngig davon, ob die Wissenschaftler um MAIUS Einsteins Theorie Ungenauigkeit nachweisen oder nicht: Neben der Einführung einer neuen Sensorentechnologie für Industrie und Alltag liefern sie einen au?ergew?hnlich pr?zisen Beitrag zur endgültigen Kl?rung der Frage: ?Was genau ist Schwerkraft?“
Autor: Peter Gotzner
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Prof. Dr. Achim Peters
Humboldt-Universit?t zu Berlin
AG Optische Metrologie
Tel. 030.2093-4905
achim.peters@physik.hu-berlin.de
Dr. Markus Krutzik
Humboldt-Universit?t zu Berlin
Tel. 030 2093-4906
markus.krutzik@physik.hu-berlin.de