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Eine gigantische Jukebox

Wie die Digitalisierung die Musikproduktion und das H?ren von Musik ver?ndert
Schallplatten

Obwohl nur eine Nische auf dem Musikmarkt, sind
Schallplatten wieder im Kommen.
Foto: colourbox.de

Liegt es an der Liebe zum Altbew?hrten oder vielleicht an der Haptik? Der Schallplatten-Umsatz weltweit w?chst. ?Vinyl bleibt dabei allerdings ein absoluter Nischenmarkt, denn nicht nur die Hits werden weiterhin prim?r digital geh?rt“, befindet PD. Dr. Jens Gerrit Papenburg, der am Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universit?t zu Berlin unter anderem zur Geschichte und Kultur des technisierten H?rens forscht.

Copy & Paste in der Musikproduktion

Seit Beginn der 80er-Jahre geben digitale Abspielmedien wie CDs oder MP3 in der Musikbranche den Ton an. Die Digitalisierung hat dabei auf der Seite der Musikproduktion tiefgreifende ?nderungen bewirkt. So erm?glichen MIDI-Sequencer die Erzeugung von Audiomaterial direkt am Computer und sogenannte Digital Audio Workstations erlauben es digitale Arbeitstechniken wie Copy&Paste auf die Musikproduktion zu übertragen. Der Wandel von analogen zu digitalen Techniken bleibt im Klangbild nicht ungeh?rt. ?W?hrend LPs und CDs klanglich meist für den Einsatz auf der heimischen HiFi-Anlage optimiert sind“, so Papenburg, ?orientiert sich das Mastering von MP3-Dateien auch daran, dass diese auf mobilen Endger?ten gut klingen“. Ebenfalls greift Audio-Software wie iTunes oder Spotify aktiv in das Klangbild von Musik ein, indem beispielsweise die Lautst?rke vereinheitlicht wird.

Dem Fortschrittsgedanken digitaler Medien scheinbar entgegengestellt, etablierte sich mit Einführung der CD auch eine Neuvermarktung ??lterer“ Popmusik, um die heimische Plattensammlung durch das neue Medium CD ersetzen zu k?nnen. Ein Novum, denn bisher verkauften Plattenlabels haupts?chlich Neuerscheinungen. Diese neue Rückbesinnung auf Popmusik vergangener Jahre oder Jahrzehnte bot die Grundlage für einen anhaltenden Retro-Trend, der durch die heutige, scheinbare Allverfügbarkeit von Musik s?mtlicher Jahrzehnte noch verst?rkt wird.

Vom Album zur Playlist

Daneben hat die Digitalisierung auch einen anhaltenden Einfluss auf die Art und Weise wie wir Musik im Alltag h?ren. Papenburg spricht dabei von einem Wandel des Albumh?rens zum ?Soundfile-H?ren“: Im Gegensatz zum H?ren eines vollst?ndigen, in sich zusammenh?ngenden Albums, wie es die LP nahe legte, steht beim Soundfile-H?ren die Playlist im Vordergrund. Diese Art des H?rens stellt jedoch bei genauerem Hinsehen keinen Bruch mit der Rezeption von Musik dar, da vor Etablierung der LP in den 60er-Jahren der Fokus bereits auf einzelnen Tracks lag, beispielsweise beim Radio oder bei der Jukebox.

Die heutigen Musikstreaming-Dienste k?nnten demzufolge als gigantische Jukebox interpretiert werden, die es uns erm?glicht unsere pers?nliche Musik zusammenzustellen oder uns diese Aufgabe in Form von Playlists abnehmen zu lassen. W?hrend in Plattenl?den Popmusik üblicherweise in verschiedene Genres eingeteilt wird, übernehmen bei Playlists andere Parameter, beispielsweise Stimmungen wie ?Happy“ oder ?Herbst“, die Zuordnung.

Virtuelle Musiksammlungen ersetzen dabei zunehmend die heimische Platten- bzw. CD-Sammlung, erg?nzt wird Popmusik heutzutage jedoch um ihren sozialen Aspekt. So ist es nicht nur m?glich die aktuelle Musikwiedergabe in sozialen Netzwerken einzubetten, auch k?nnen Playlists geteilt oder für andere Nutzer freigegeben werden, um einen gemeinsamen Musikgeschmack festzuhalten.

Autor: Adrian Ladenberger