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Prek?re Besch?ftigung – prek?res Leben?

Ein Projekt untersucht, wie schlecht bezahlte Arbeit und Liebe zusammenh?ngen - Konferenz vom 2. bis 3. M?rz 2017 an der HU
Putzfrau

Ein wenig anerkannter Job wird durch ein intaktes
Privatleben aufgewertet. Foto: Colourbox.de

Veronika Vetter ist Mitte fünfzig, alleinstehend und hat eine Ausbildung in der Versicherungsbranche gemacht. Ihr Berufszweig hat sich stark ver?ndert. Viele Jahre arbeitete sie unter gro?en Belastungen, bis sie schlie?lich krank wurde. Ulrike Urban ist Mitte vierzig, ebenfalls alleinstehend und in der Pflege t?tig. Dort wird sie für wenige Stunden bezahlt, arbeitet aber rund um die Uhr. Sie wirkt zermürbt. Was beide Frauen vereint: Sie sind prek?r besch?ftigt. Doch sie unterscheiden sich darin, wie sie mit ihrer prek?ren Besch?ftigung leben: Veronika Vetter beschlie?t nach ihrer Krankheit, künftig mehr auf sich zu achten. Sie begibt sich auf einen spirituellen Pfad, über den sie neue Freundschaften gewinnt. Arbeit ist nicht? mehr alles für sie. Ulrike Urban ist nicht nur zermürbt, weil sie für wenig Geld rund um die Uhr pflegt, sondern weil sie ihre Partnerlosigkeit betrauert. Sie h?tte gerne eine Familie gegründet.

Wenn in den Sozialwissenschaften über Prekarit?t gesprochen wird, stehen meist prek?re Besch?ftigungsverh?ltnisse im Zentrum: etwa Leiharbeit, unfreiwillige Teilzeit, geringfügige Besch?ftigung oder Soloselbstst?ndigkeit. Also, eine Besch?ftigung ohne Existenz sicherndes Einkommen, wenig Sicherheiten und Planbarkeit. Doch die Beschr?nkung auf Erwerbsarbeit ist verkürzt, denn Prekarit?t kann abgemildert oder auch versch?rft werden, wenn man s?mtliche Lebensbereiche und nicht nur Erwerbsarbeit betrachtet.

"Beziehungen sind wichtige Quellen für Anerkennung"

Eine solche erweiterte Perspektive entwickelt das Projekt ?Ungleiche Anerkennung? ?Arbeit’ und ?Liebe’ im Lebenszusammenhang prek?r Besch?ftigter“. Es wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert und von Christine Wimbauer, Professorin für Soziologie der Arbeit und der Geschlechterverh?ltnisse, geleitet. ?Wir gehen davon aus, dass alle Menschen nach Anerkennung streben. In unserer Gesellschaft z?hlt aber vor allem Anerkennung für Leistung in der Erwerbsarbeit“, erkl?rt Projektmitarbeiterin Dr. Mona Motakef. ?Aber auch Beziehungen sind wichtige Quellen für Anerkennung.“

Kann fehlende Anerkennung in der Erwerbsarbeit durch Anerkennung in anderen Lebensbereichen, insbesondere Beziehungen, abgemildert oder versch?rft werden? In mehrstündigen Einzel- und Paarinterviews befragten Mona Motakef und Ellen Ronnsiekdazu acht Alleinstehende und fünf Paare in prek?rer Besch?ftigung. Was Ulrike Urban sich so sehr wünscht, eine Paarbeziehung, ist jedoch kein Garant für eine Kompensation fehlender Anerkennung. Das Paar Christiansen/Caspar, beide Mitte vierzig, hat zwei gemeinsame Kinder. Clemens Caspar ist seit vielen Jahren aushilfsm??ig besch?ftigt oder arbeitslos, Caroline Christiansen ern?hrt freischaffend die Familie. Clemens Caspar sieht in der Arbeit Fremdbestimmung und Zwang. Wenn Caroline Christiansen Missst?nde in ihrer Arbeit anprangert, h?lt Clemens Caspar sich die Ohren zu. Im Paarinterview beklagt sie die fehlende Anerkennung durch ihn, doch er unterstellt ihr, sie w?re von ihrer Arbeit geradezu besessen: ?Du brauchst dat ja wirklich“. Beim Paar Christiansen/Caspar versch?rft die fehlende Anerkennung in der Arbeit und in der Paarbeziehung die Prekarit?t von Frau Christiansen.

Konferenz am 2. und 3. M?rz

Die Projektergebnisse zeigen, dass fehlende Anerkennung in der Erwerbsarbeit abgemildert, kompensiert oder versch?rft werden kann, aber auch an Relevanz verlieren kann, wenn die Prekarit?t anderer Lebensbereiche bedeutsamer wird. ?Um ein umfassendes Verst?ndnis für Prekarit?t entwickeln zu k?nnen, sollte der gesamte Lebenszusammenhang zum Ausgangspunkt genommen werden“, sagt Mona Motakef. Deutlich zeigen sich auch die sozialdestruktiven Folgen, wenn Arbeit als Quelle von Anerkennung im Mittelpunkt steht: Das Versprechen für Anerkennung in der Arbeit wird mit der Ausweitung prek?rer Besch?ftigungsverh?ltnisse nicht nur immer seltener eingel?st, auch wird h?ufig Raum für andere zentrale Lebensbereiche verdr?ngt. Wer wie Ulrike Urban Fürsorge leistet oder wie Veronika Vetter eine Krankheit hat, für den ist in der Erwerbsarbeitsgesellschaft schlichtweg wenig Platz.

Ein erweitertes Verst?ndnis von Prekarit?t und Prekarisierung steht im Zentrum der vom 2. bis 3. M?rz 2017 stattfindenden Konferenz ?Prekarisierung Unbound? Zum gegenw?rtigen Stand der Prekarisierungsforschung aus interdisziplin?rer Perspektive“. Es wird vom Zentrum für transdisziplin?re Geschlechterstudien (ZtG) und dem DFG-Projekt ?Ungleiche Anerkennung? ?Arbeit’ und ?Liebe’ im Lebenszusammenhang prek?r Besch?ftigter“ in Kooperation mit dem Institut für Sozialwissenschaften und der Sektion Soziale Ungleichheit der Deutschen Gesellschaft für Soziologie veranstaltet.

Der Text erschien ursprünglich in der Februar-Ausgabe der Humboldt-Zeitung

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