?Wir wollen die Verantwortung der Betreuer st?rken“

Der wissenschaftliche Nachwuchs soll besser
betreut und beraten werden. Foto: Andreas Sü?
Der Akademische Senat hat im Juli 2016 unter Federführung des Vizepr?sidenten für Forschung, Prof. Dr. Peter Frensch, ein Programm zur F?rderung des wissenschaftlichen Nachwuchses verabschiedet. Es adressiert an Forschung interessierte Absolventen, Promovierende, Postdocs und Juniorprofessoren. Anhand der Leits?tze ?Beratung und Betreuung verbessern“, ?verl?ssliche Karriereperspektiven bieten“ und ?die Qualit?t der Nachwuchsausbildung absichern“ m?chte das Pr?sidium die Situation des Nachwuchses verbessern. Die Humboldt Graduate School (HGS) wird Handlungskonzepte, Zeit- und Budgetpl?ne entwickeln. Neue Aufgaben kommen auch auf Betreuer, Institute und Fakult?ten zu.
Herr Frensch, die Fakult?ten sollen die Zahl der Promovierenden pro Betreuer diskutieren und gegebenenfalls reduzieren. Welche Zahlen schweben Ihnen vor?
Es geht mir nicht darum, generelle Obergrenzen für Betreuungszahlen vorzugeben. Die Frage, ?Wie viele Promovenden kann ich betreuen?“, wird schlie?lich jeder Betreuer individuell beantworten müssen. Er – oder sie – sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass hohe Qualit?tsansprüche nun mal nicht für eine beliebige Zahl von Promovierenden zu erfüllen sind. Am Qualit?tsanspruch sollte er die Zahl seiner Promovierenden aber ausrichten.
Die Betreuer sollen auch dafür Sorge tragen, dass Promovierende forschen k?nnen, ohne st?ndig Finanzierungsquellen zu suchen, Netzwerkvermittler sein und perspektivisch als Projektpartner zur Verfügung stehen. Ist das Paket nicht zu gro??
Ich glaube nicht. Es ist ein zentrales Anliegen unseres Nachwuchsprogramms, die Verantwortung der Betreuer zu st?rken. Wenn ich einen Promovierenden oder einen Postdoc annehme, dann übernehme ich in mehrerlei Hinsicht eine gro?e Verantwortung für diese Person, der ich dann auch gerecht werden muss. Erfreulicherweise sind sich viele unserer Professorinnen und Professoren dieser Verantwortung sehr bewusst.
Eine weitere Neuerung ist, dass die Finanzierung der Promotion vorab gekl?rt werden soll. Warum ist das hilfreich?
Wir wollen, dass Betreuer und Promovierende zu Beginn ihrer Zusammenarbeit gemeinsam überlegen und schriftlich festhalten, wie der Finanzierungsplan für die meist drei- bis vierj?hrige Promotionszeit aussehen soll. Dass solch ein Plan sich im Lauf der Zeit ver?ndern kann, ist klar. Wir wollen aber verhindern, dass jemand immer wieder seine Arbeit unterbrechen muss, um für seinen Lebensunterhalt anderweitig Geld zu verdienen. Das kommt leider viel zu h?ufig vor.
Bislang promovieren 35 Prozent der Doktoranden in strukturierten Programmen, Sie m?chten die Angebote ausbauen. Wie?
Unser Ziel ist, dass jeder Doktorand strukturiert promovieren kann – sofern er dies m?chte. Gemeinsam mit den Fakult?ten suchen wir nach M?glichkeiten, neben der HGS auch auf Fakult?tsebene Dachstrukturen für Promovierende zu schaffen. Die Promovierenden sollen sich dort austauschen k?nnen, bei Konflikten beraten oder Hilfestellung zu ihren Betreuungsvereinbarungen erhalten. Letztlich sollte an jeder Fakult?t solch ein Angebot existieren. Dem Pr?sidium ist dabei durchaus klar, dass dafür Geld in die Hand genommen werden muss.

Prof. Dr. Peter Frensch
Foto: Matthias Heyde
Talentierte Studierende sollen früh an Forschung herangeführt werden, die Institute sollen ihre Angebote für forschende Lehre prüfen. Wie kann das aussehen?
Wir wollen bei unseren Studierenden Begeisterung für die Wissenschaft wecken. Wenn uns dies gelingt, m?chten wir ihnen bereits w?hrend des Studiums die M?glichkeit zum Forschen geben. Es gibt schon heute Masterstudieng?nge in einzelnen Disziplinen, die in die Forschung führen und Master, die für andere Karrierewege vorbereiten. Unser Ziel ist, dass m?glichst viele F?cher differenzierte Master anbieten.
Ein wichtiger Punkt ist auch der Ausbau von Karriereberatung und Qualifizierungsangeboten für die Phase vor und nach der Promotion. Wie ist der Ist-Zustand?
Unser gegenw?rtiges Angebot richtet sich vor allem an Doktoranden, aber es ist nicht fl?chendeckend und vorrangig in den Graduiertenschulen und in der HGS verortet. Auf Ebene der Postdocs gibt es zurzeit keine Plattform, sieht man einmal vom Angebot der HGS ab. Wir brauchen ein Beratungsangebot, das den gesamten Karriereweg vom Studienabschluss bis zur Professur berücksichtigt. Eine Idee ist, eine Akademie wie beispielsweise das Konstanzer Zukunftskolleg einzurichten, wo eine bestimmte Anzahl von Postdocs berufen wird und die M?glichkeit erh?lt, sich zu vernetzen.
Promovierende und Postdocs sollen au?erdem st?rker in die Lehre eingebunden werden. Rechtlich ist das aufgrund der Kapazit?tsbestimmungen nicht so einfach.
Genau, wir m?chten Promovierende unter der Supervision ihrer Betreuer ein oder zwei Semester lang in die Lehre einbinden, ebenso Postdocs – diese ohne Aufsicht. Juristisch ist das in der Tat kein einfaches Thema und muss mit dem Berliner Senat verhandelt werden. Die meisten Doktoranden, etwa 80 Prozent, sind Drittmittelbesch?ftigte, für die wir keine M?glichkeit haben, sie in die Lehre einzubinden, weil sofort die Kapazit?tsbestimmung tangiert würde. In der Folge müssten wir mehr Studienbewerber zulassen.
Auch internationale Wissenschaftler sollen in Zukunft besser beraten werden, die International Scholar Services (ISS) werden ihre Kapazit?ten auch auf Promovierende ausweiten.
Ja, die ISS werden ausgebaut, um die Erstbetreuung internationaler Nachwuchswissenschaftler in den unterschiedlichen Karrierestufen zu übernehmen. Das reicht aber nicht aus. Die Institute werden deshalb aufgefordert, in Kooperation mit der ISS spezifische Betreuungsangebote für internationale Doktoranden und Postdocs zu entwickeln.
Ein weiteres Ziel: Die Universit?t und der Berliner Senat sollen darüber verhandeln, die Anzahl unbefristeter Stellen im Mittelbau zu erh?hen. Wie viele gibt es heute, und welche Zahl m?chten Sie erreichen?
Die Humboldt-Universit?t hat mit mehr als 30 Prozent eine deutlich h?here Verstetigungsrate im Mittelbau als die anderen Berliner Universit?ten. Dennoch denke ich, dass der Bedarf an festen Stellen über das bestehende Angebot hinausgeht. Bevor wir mit dem Senat verhandeln, müssen wir genau überlegen, wofür und wo genau wir unbefristete Stellen brauchen – und zwar an den Fakult?ten ebenso wie in der Zentralen Universit?tsverwaltung.
Das Interview führte Ljiljana Nikolic für die Februar-Ausgabe der Humboldt-Zeitung