Artischocken und Zitronen: Stadtg?rten in Berlin
Das Lehr- und Forschungsgebiet Beratung und Kommunikation des Albrecht Daniel Thaer-Instituts für Agrar- und Gartenbauwissenschaften an der Humboldt-Universit?t zu Berlin (HU) hat ein zweij?hriges Forschungs- und Bildungsprojekt initiiert, moderiert und wissenschaftlich begleitet: ?Urbane Klimag?rten: Eine Bildungsinitiative in der Modellregion Berlin“ kommt im Juni als Projekt zum Abschluss, am 24. M?rz werden an der HU die Ergebnisse der Bildungsinitiative vorgestellt. Die Pflanzenbauwissenschaftlerin Eva Foos berichtet im Interview über das Projekt, und erkl?rt wie wir unsere st?dtischen G?rten an den Klimawandel anpassen k?nnen.
Frau Foos, erkl?ren Sie doch bitte kurz, worum ging es im Projekt ?Urbane Klimag?rten“?
Eva Foos: Im Kern um die Frage, was wir tun k?nnen, um unsere Stadtg?rten bestm?glich an die klimatischen Ver?nderungen anzupassen und wie sie einen Beitrag zum Klimaschutz leisten k?nnen. Der Einfluss der Klimaver?nderungen auf diese st?dtischen Mikrokosmen ist bisher kaum erforscht, noch weniger sind die Zusammenh?nge zwischen Klimawandel und dem Stadtg?rtnern in der ?ffentlichkeit bekannt. Hier haben wir angesetzt, und ein st?dtisches Bildungs- und Kooperationsprojekt aufgesetzt.
Welche Ziele hatte das Projekt?
Beratung und Kommunikation ist der Lehr- und Forschungsauftrag unseres Teams. Dabei erarbeiten wir transdisziplin?re Dialoge und entwickeln mit etablierten Multiplikatoren aus der Gesellschaft praxistaugliche und gleichzeitig wissenschaftlich-fundierte Bildungsangebote. So war es auch beim aktuellen Projekt. Ziel ist es immer, langfristig vorzugehen, d.h. auch wenn wir institutsseitig nicht mehr dabei sein k?nnen, soll es weitergehen.
Im Fall von ?Urbane Klimag?rten“ haben wir beispielsweise eng mit dem Landesverband Berlin der Gartenfreunde e. V. und dem Team des bestehenden ?Forum Stadtg?rtnern“ kooperiert. Im Zusammenspiel mit unserem wissenschaftlichen Know-how und der Unterstützung in der ?ffentlichkeitsarbeit erhielt das Forum einen Schub nach vorn.
Wie sah das Projekt konkret aus?
Im Projekt entwickelten wir zahlreiche Workshops und Bildungstouren. Dazu kommen 金贝棋牌bl?tter und Schautafeln sowie weitere Publikationen, die auf unserer Website abrufbar sind. Derzeit entsteht eine Wanderausstellung, die Interessierte künftig über den Landesverband Berlin der Gartenfreunde ausleihen k?nnen.
Was hat der Klimawandel mit den Stadtg?rten zu tun?
Es sieht ja ganz danach aus, dass wir den Klimawandel nicht mehr stoppen k?nnen. Deshalb sollten wir uns fragen, wie wir mit den Folgen für unsere G?rten und Grünfl?chen umgehen. Wollen wir sie weiter ?kologisch bewusst und ertragreich bewirtschaften, müssen wir reagieren – ja, vorausschauend handeln.
Auch stadtklimatisch spielen G?rten eine Rolle. Sie k?nnen zusammen mit anderen Formen des Stadtgrüns wesentliche Klimaanpassungs- und Klimaschutzfunktionen für den Ballungsraum erfüllen. Gartengemeinschaften f?rdern zudem die Bewusstseinsbildung rund um 金贝棋牌 wie Klimaschutz, ?kologische Landbewirtschaftung und gesunde Ern?hrung – die ja alle klimarelevant sind.
Welche Ver?nderungen wirken auf die G?rten?
In Berlin hat sich die Lufttemperatur im Jahresmittel von 1951 bis 2012 um 1,5 Grad Celsius erh?ht. Wissenschaftlich belegt ist zudem eine Verschiebung der sogenannten thermischen Vegetationsperiode, d.h. des Zeitraums im Jahr, in dem die Tagesmitteltemperatur über 5 Grad Celsius liegt. Begann 1931 die Vegetationsperiode in Berlin-Dahlem noch am 27. M?rz, ist es heute bereits der 2. M?rz. Das Ganze hat spürbare Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt.
Welche Folgen sind das?
Die gesamte ?ph?nologische Uhr“ – eine Veranschaulichung der ph?nologischen Jahreszeiten auf Grundlage verschiedener Entwicklungsstadien von Pflanzen – tickt anders als früher: Die Blattentfaltung hat sich bei vielen Baumarten nach vorn verschoben. Auch Stadien wie Blühbeginn und Reife setzen früher ein. Verglichen mit 1961 beginnen die heimische Sü?kirsche und der Apfelbaum 15 Tage, die Birne 19 Tage früher zu blühen.
Bis zum Ende des Jahrhunderts kann sich die Vegetationsperiode m?glicherweise um bis zu 72 Tage verl?ngern. Die Vegetationszeit wird dann Anfang Februar beginnen und erst Mitte Dezember enden. In Berlin und Brandenburg zeichnen sich dann m?glicherweise Temperaturen wie heute in Norditalien oder auch wie in Nordafrika ab.
Das klingt ja zun?chst recht angenehm…
Ja, die Ver?nderungen er?ffnen auch neue M?glichkeiten. Schon heute gedeihen Auberginen, Artischocken und sogar Zitrusfrüchte in geschützten Lagen in den Berliner G?rten. Auch wird im Berlin-Brandenburgischen Raum erfolgreich Wein angebaut. Aber das ist eben nur die eine Seite der Medaille.
Die andere bringt l?ngere Hitze- und Trockenperioden und vermehrten Starkregen. Auch haben Sch?dlinge mehr Zeit sich zu entwickeln. Der Apfelwickler beispielsweise, ein Schmetterling, wird zukünftig voraussichtlich zwei Generationen im Jahr hervorbringen und damit einen h?heren Schaden anrichten. Neue Arten werden bei uns heimisch, wie etwa die südostasiatische Kirschessigfliege, die von Natur aus fünf bis acht Generationen pro Jahr hervorbringt.
Eva Foos
Foto: Sandra Bergemann
Wie k?nnen sich G?rtner auf diese Ver?nderungen einstellen?
Es geht um klimaangepasstes G?rtnern. An erster Stelle stehen eine angepasste Bodenpflege und der Bodenschutz. Der Boden sollte noch besser vor Trockenheit und Erosion durch Starkregen geschützt werden. Da hilft eine ganzj?hrige Bodenbedeckung, zum Beispiel durch Gründüngung, Winterbegrünung oder Mulchen. Im Hinblick auf Klimaschutz sollten m?glichst torffreie Substrate verwendet werden.
Für die Sommermonate empfehlen wir das Sammeln von Regenwasser. Schon aus ?kologischen Gründen sollte kein zus?tzliches Wasser aus den Leitungen entnommen werden. Damit das Wasser nicht verdunstet, empfiehlt sich eine Mulchdecke. Auch technische L?sungen k?nnen unterstützen: eine Tr?pfchenbew?sserung ist beispielsweise sehr wassereffizient. Auch sollten Lebensr?ume für Nützlinge wie Insekten, V?gel, Igel und Eidechsen geschaffen werden – gerade, weil die Zahl der Sch?dlinge temperaturbedingt steigt.
Das klingt alles recht einleuchtend und pragmatisch…
Genauso ist es auch. Wir erfinden das Rad nicht neu, vieles kennt man bereits seit Generationen. Es geht um die Kenntnis der neuen Situation. Viele Techniken bekommen vor dem Hintergrund des Klimawandels eine noch gr??ere Bedeutung.
Nun ist das Projekt bald zu Ende. Wie lautet ihr Fazit?
Wir ziehen eine positive Bilanz: Wir sehen, dass die G?rtnerinnen und G?rtner das Klimaproblem erkennen. Gerade durch unseren kooperativen Ansatz, mit bestehenden Initiativen und Vereinen zusammenzuarbeiten, hat unsere Arbeit eine hohe Reichweite. Grob gesprochen, haben wir 400 Multiplikatoren aus der Stadtg?rtnerszene regelm??ig erreicht. Sie streuen die 金贝棋牌 weiter in die Gartengemeinschaften und in die breite ?ffentlichkeit.
Das Projekt wurde gef?rdert durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.
Interview und Redaktion: Christin Bargel