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?Kopfrechnen beinhaltet sprachliche und r?umliche Prozesse“

Dr. André Knops untersucht, was im Gehirn passiert, wenn wir Mathematikaufgaben l?sen

Dr. André Knops

Dr. André Knops,
Foto: privat

Fünf mal sieben? Drei mal 24? Liegen eher zehn oder 20 Kekse auf dem Teller? Einfache mathematische Aufgaben oder Sch?tzungen l?sen die meisten von uns ohne gro?e Anstrengung. Wir rufen Wissen ab und kommen zum richtigen Ergebnis. Doch was passiert dabei auf neuraler und kognitiver Ebene, welche Prozesse werden im Gehirn in Gang gesetzt? Warum kommt überhaupt ein richtiges Ergebnis heraus, und wieso wissen wir, dass es richtig ist? Warum sch?tzen wir, dass drei mal 34 eher um die 100 als um die 1000 liegt? Diese und andere Fragen rund ums Kopfrechnen und andere mentale arithmetische F?higkeiten besch?ftigen Dr. André Knops. Er untersucht sie mit Hilfe von eigenen Computerexperimenten und bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomographie. Seit 2012 ist er Emmy Noether-Nachwuchsgruppenleiter am Institut für Psychologie. Seit Anfang dieses Jahres vertritt er den Vizepr?sidenten für Forschung, Prof. Dr. Peter Frensch, auf der Professur für Allgemeine Psychologie.

Herr Knops, Sie untersuchen unter an - derem die Bedeutung verschiedener Ar - beitsged?chtniskomponenten für das Kopfrechnen. Welche Funktion hat das Arbeitsged?chtnis, welche Rolle spielt es für das L?sen von Matheaufgaben?

Arbeits- und Langzeitged?chtnis kommen – je nach Aufgabe – beim Rechnen zur Anwendung. Das Arbeitsged?chtnis h?lt alle 金贝棋牌 bereit, die wir im Moment brauchen und verarbeiten. Seine Kapazit?t ist allerdings limitiert, es kann nur eine gewisse Menge an Ressourcen bereithalten. Ein g?ngiges Modell ist, dass man es nach visuell-r?umlichen und phonologisch-verbalen Inhalten aufteilt. Kopfrechnen greift interessanterweise auf beide zu. Das konnte eine Doktorandin in meiner Arbeitsgruppe zeigen.

Was bedeutet das genau?

Das bedeutet, dass Kopfrechnen sowohl sprachliche als auch r?umliche Prozesse beinhaltet. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn die Aufgabe über den Abruf des kleinen Einmaleins aus dem Langzeitged?chtnis hinausgeht. Das ist haupts?chlich sprachlich repr?sentiert. Der Zugriff auf die Semantik von Zahlen ist hingegen ein eher r?umlicher Prozess. Eine wichtige Voraussetzung fürs Rechnen ist, dass wir Ergebnisse absch?tzen k?nnen.

Wie machen wir das?

Ich verfolge die Leitidee, dass die mentalen arithmetischen F?higkeiten auf dem uns angeborenen Zahlensinn, also der F?higkeit, Mengen wahrzunehmen und zu differenzieren, beruhen. Ich glaube, dass wir visuell-r?umliche Prozesse nutzen, um Ergebnisse zu sch?tzen beziehungsweise, dass numerische F?higkeiten auf kognitive und neurale Mechanismen zurückgreifen, die evolution?r für die Verarbeitung r?umlicher 金贝棋牌 entstanden sind. Eine wichtige Erkenntnis dabei ist, dass Zahlen r?umlich repr?sentiert sind.

Wie kann man sich das vorstellen?

Man kann sich das gut anhand der Metapher eines Mentalen Zahlenstrahls vorstellen, an dem die Zahlen von links nach rechts aufsteigend angeordnet sind. Wenn wir entscheiden sollen, ob fünf oder sechs oder fünf oder zehn gr??er ist, brauchen wir für die erste Aufgabe einige Millisekunden l?nger Zeit. Das h?ngt damit zusammen, dass die Distanz zwischen fünf und sechs kleiner ist als die zwischen fünf und zehn. Nehmen wir an, wir rechnen fünf mal 17 im Kopf. Unsere eben beschriebene F?higkeit, ungef?hr absch?tzen zu k?nnen, sagt uns, dass das Ergebnis irgendwo um die 100 liegen muss. Dann kommt der mühselige Abruf des Einmaleins aus dem Langzeitged?chtnis: Wir wissen fünf mal zehn ist 50, fünf mal sieben 35, zusammengerechnet also 85. Das Ergebnis gleichen wir mit der Sch?tzung ab. So kommen beide Prozesse zusammen, der Mentale Zahlenstrahl und das arithmetische Wissen aus dem Langzeitged?chtnis.

Wie wirken die beiden Systeme genau zusammen?

Das ist noch nicht richtig verstanden und eine der Fragen, die wir in unserer Arbeitsgruppe untersuchen. Sind Langzeitged?chtnis und visuell-r?umliche Repr?sentation v?llig getrennt voneinander, und wenn ja, wo kommen sie zusammen? Oder beinhaltet das Faktenwissen auch etwas über numerische Distanz? Oder beinhaltet das Faktenwissen auch etwas über numerische Distanz? Wir suchen noch nach einem Experiment, mit dem wir diese Fragen beantworten k?nnen.


Aktivierte Gehirnareale w?hrend einer
Rechenaufgabe (rot) und einer
r?umlichen Aufmerksamkeitsaufgabe
(grün). ?berlappende Bereiche finden
sich haupts?chlich entlang des
intraparietalen Sulcus der linken und
rechten Hemisph?re und sind hier gelb
dargestellt. Dieser Befund zeigt, beim
Rechnen werden auch Arealen aktiviert,
die auf r?umliche Prozesse spezialisiert
sind. Grafik: Dr. André Knops

Wie n?hern Sie sich der Antwort?

Bei dieser Frage stütze ich mich auf Reaktionszeiten. Wir lassen Probanden beispielsweise am Computer verifizieren, ob ein Ergebnis richtig oder falsch ist, zum Beispiel fünf mal sieben. Um zu erkennen, dass das Ergebnis nicht 42 ist, brauchen die Probanden Millisekunden l?nger als um zu erkennen, dass 28 falsch ist. Ich nehme an, dass das der Effekt des Zahlenstrahls ist, der nicht linear, sondern komprimiert ist. Je gr??er die Zahlen, desto kleiner ist der Abstand zwischen ihnen. Deswegen f?llt es schwerer, 42 von 35 zu unterscheiden als 28 von 35. Das ist auch der spannende Unterschied zum Computer, der diesen Effekt natürlich nicht zeigt. Aber die Repr?sentation numerischer Gr??e beim Menschen ist eben analog und nicht digital.

Wir bewegen uns hier in der Grundlagenforschung, welche Rolle kann sie für die Anwendung spielen?

Das ist das Sch?ne an unserer Forschung, die Ergebnisse spielen eine wichtige Rolle für die Anwendung. Sie k?nnen uns Antworten auf die Frage geben, wie wir Mathematikunterricht besser gestalten, oder, wie wir Menschen mit Dyskalkulie, also Rechenschw?che, helfen k?nnen. Letztere betrifft etwa fünf Prozent der Bev?lkerung. Menschen mit Dyskalkulie haben keine intuitive Vorstellung von Zahlen, sie sehen beispielsweise nicht, dass 199 fast identisch ist mit 200. Wenn wir wissen, dass Zahlen wahrscheinlich r?umlich repr?sentiert sind, kann man den Mentalen Zahlenstrahl als Grundlage für ?bungsaufgaben nehmen und Kinder damit unterstützen, ein besseres Zahlenverst?ndnis zu erlangen. Dafür gibt es schon einige Beispiele in der angewandten Forschung.

Das Interview führte Ljiljana Nikolic