Was etablierte Parteien den Erz?hlungen der AfD entgegensetzen k?nnen
Wir bewegen uns in turbulenten Zeiten, ein globaler Aufschwung rechtspopulistischer Parteien und Bewegungen fordert Demokratien heraus. Auch Europa blieb nicht unberührt von diesem globalen Trend, ob es nun postsozialistische Staaten Osteuropas, Wohlfahrtsstaaten in Nord- und Westeuropa oder Staaten in Südeuropa betrifft, nahezu alle eint, dass sie vom parteienf?rmigen Rechtspopulismus seit den 1980er Jahren zeitweise oder permanent herausgefordert werden. In seiner Studie politischer Kommunikationsstrategien der AfD und der etablierten Parteien erkl?rt ?zgür ?zvatan, Doktorand am Institut für Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universit?t zu Berlin (HU): ?Um rechtspopulistische Wahlerfolge tats?chlich greifbar zu machen, müsse die narrative Fundierung von politischen Erz?hlungen verstanden werden. Das bedeutet: Der gesch?rfte Blick müsse sich auf die Zirkulation von in Narrationen eingebetteten Emotionen zwischen politischen Parteien und den Bürgerinnen und Bürgern richten.“
Das Fallbeispiel ?Alternative für Deutschland“ (AfD)
Seit ihrer Gründung im Frühjahr 2013 haftet der AfD das Etikett ?rechtspopulistisch“ an - allzu gerne gekoppelt an einen moralisch abwertenden Fingerzeig. Mit einem empirischen Zugang weist der Doktorand nach: Seit ihrer Gründung portr?tiert die AfD in ?ffentlichen Stellungnahmen ?verblendete und korrupte Eliten“ als Sündenbock für gesellschaftspolitisch vermeintlich unzumutbare Zust?nde.
?zgür ?zvatan untersucht in seiner Studie alle politische Statements von AfD-Politikerinnen und Politikern, die seit ihrer Gründung in Artikeln der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) ver?ffentlicht wurden. ?Um zu erforschen, wie die AfD aus der Mitte der Gesellschaft ihre W?hlerschaft generiert, sollten wir die Dynamiken in der Mitte der Gesellschaft betrachten“, stellt ?zvatan fest. Analysiert hat er alle politischen ?u?erungen der AfD mittels einer Diskursnetzwerk-Analyse (DNA). So visualisierte er Netzwerke politischer Diskurse der AfD und etablierter Parteien in verschiedenen Zeitr?umen, um prozesshaft diskursive Verschiebungen zu beobachten.
Das Resultat: der Anti-Eliten-Diskurs zieht sich wie ein roter Faden durch die Erz?hlungen der AfD vom Frühjahr 2013 fortw?hrend bis ins Jahr 2016. Somit erfülle die AfD nach politikwissenschaftlichem Ma? die Populismus-Kriterien.
Was sich darüber hinaus empirisch nachweisen lie?: Die populistische Rhetorik weist am rechten Rand eine limitierte diskursive Variationsbreite auf. Die (vermeintliche) Gefahr durch den Euro (?Subsidiarit?tsprinzip“) gehe über in eine (vermeintliche) Gefahr durch die Geflüchteten (?Anti-Immigration“). Dabei ist stets im Vordergrund: der Schutz der Nation (?Deutsche Interessen“), das protektionistische Motiv ?für die Nation“, gegen vermeintlich ?korrupte Eliten“; all das mache die AfD zu einer rechtspopulistischen Partei. Dabei nimmt das Motiv ?Für die Nation“ vielf?ltige Gesichter an. Es reicht vom Eintritt für das Subsidiarit?tsprinzip innerhalb der Europ?ischen Union bis zu rassistischen ?u?erungen wie dem Grenzschutz einen Schussbefehl für illegale Grenzüberg?ngen erteilen zu wollen oder von ?Afrikanischen Reproduktionsstrategien“ zu sprechen.
Was ist der AfD entgegenzusetzen?
Ein wegweisendes Beispiel dafür, wie etablierte Parteien den Zuspruch für die AfD konterkarieren k?nnen, habe die Berliner Republik zum Jahreswechsel 2015/16 erlebt, als die AfD binnen weniger Monate von einem zwischenzeitlichen Umfragehoch von bis zu 14 auf 6 bis 8 Prozentpunkte sank. Um die Prozesse in dieser ?u?erst bedeutsamen Zeit herauszuarbeiten, unternahm ?zgür ?zvatan eine vergleichende Untersuchung der politischen Diskurse und Narrative der etablierten Parteien und die der AfD in einer Gegenüberstellung der zwei Hauptphasen ?Umfragehoch versus Umfragetief“. In sich wurden die zwei Hauptphasen in drei Sequenzen unterteilt, um ein Maximum an Pr?zision beim Aufgreifen politischer Dynamiken und Prozesse zu gew?hrleisten. Hierfür sammelte er alle Artikel der Süddeutschen Zeitung (SZ) und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) im Zeitraum zwischen Oktober 2015 und M?rz 2016, die politische ?u?erungen von Politikerinnen und Politikern der AfD und/oder der im Bundestag vertretenen Parteien (CDU/CSU, Bündnis90/Die Grünen, SPD und Die Linke) enthielten.
Laut der Studie kreisten die politischen Debatten dieser Monate um eine Obergrenze der Aufnahme von Geflüchteten, die Geschehnisse der Silvesternacht in K?ln und das Asylpaket II - kurzum um soziokulturelle Fragen. In der Summe habe die von Angela Merkel geführte CDU progressive Standpunkte übernommen. Progressiv insofern, als dass sie sich einerseits den politischen Forderungen für eine bundesweite Obergrenze für Geflüchtete strikt widersetzt hat, anderseits weil sie die L?sungskompetenz für die sogenannte "Flüchtlingskrise" auf der Europ?ischen Ebene ansiedelt. Allerdings wechselten die Umfragehochs in chronologischer Reihenfolge zwischen der AfD und der SPD. Letztere verzeichnete zwischen Januar und M?rz 2016 ein bedeutsames Umfragehoch. Zeitgleich verflachte der Zuspruch für die AfD. Etwa ein Drittel der bundesdeutschen W?hlerschaft fühlte sich in dieser Phase durch konservativ-nationale Erz?hlungen ad?quat repr?sentiert. Indem die SPD auf restriktiv-nationale Diskurse setzte, grub sie der rechtspopulistischen Erz?hlung das Wasser ab.
Zur gleichen Zeit h?tten sich aber auch etwas mehr als die H?lfte der bundesdeutschen Wahlberechtigten durch die politischen Erz?hlungen der CDU und Bündnis 90/Die Grünen repr?sentiert gefühlt. Jene Parteien h?tten auf europ?ische oder kosmopolitische Erz?hlungen zurückgegriffen, um globale und soziokulturelle politische Herausforderungen zu meistern. Diese starke Front transnationaler Gefühlsstrukturen bilde – so die Untersuchungen von ?zvatan - ebenso eine notwendige Voraussetzung für die demokratische Abwehr eines rechtspopulistischen Wahlerfolgs wie tempor?re, unterscheidbare Positionen zwischen etablierten Parteien und die zeitweise Schlie?ung der konservativen Flanke in soziokulturellen Fragen.
Weitere Information
https://www.sowi.hu-berlin.de/de/lehrbereiche/diversity/mitarbeiter-innen/oezguer
?
金贝棋牌
?zgür ?zvatan
Humboldt-Universit?t zu Berlin
Tel.: 030 2093-4568
oezguer.oezvatan@hu-berlin.de
?
Pressekontakt
Ibou Diop
Humboldt-Universit?t zu Berlin
Tel.: 030 2093-2345