Psychische Belastungen durch Corona nehmen weiter zu
Prof. Dr. Ulrike Lüken, Foto: privat
Frau Lüken Deutschland geht in den zweiten Lockdown. Was bedeutet das konkret für die Bürgerinnen und Bürger?
Der dynamische Pandemieverlauf erfordert eine fortlaufende Anpassung der politischen Entscheidungen. Diese Planungsunsicherheit ist für viele Menschen anstrengend. Wenn wir dem etwas Positives abgewinnen wollen, dann, dass wir den sonst üblichen Vorweihnachts-Stress jetzt ebenfalls runterfahren dürfen. Die Pandemie entwickelt sich für alle zu einem seelischen Marathonlauf, da z?hlt der lange Atem. Ich empfehle daher, sich proaktiv auf die kommenden Wochen vorzubereiten: planen Sie, wie Sie die n?chsten Wochen unter diesen Bedingungen gut verbringen k?nnen. Was brauchen Sie, um diese Zeit positiv für sich zu nutzen? Schauen Sie, welche Bedürfnisse Sie haben und wie es Ihnen geht: messen Sie doch einmal am Tag Ihren seelischen Zustand: alles im grünen Bereich, oder haben Sie schon erh?hte Temperatur? Viele Menschen neigen dazu, sich zu verausgaben und sind dann schnell im roten Bereich. Ein leerer Akku l?dt sich aber nur sehr langsam wieder auf. Planen sie sich jeden Tag bewusst etwas Zeit für eine sch?ne Aktivit?t ein, um den Akku wieder aufzuladen. Quasi ein Adventskalender mit sch?nen Dingen für Sie selbst.
Was kann man im Lockdown tun, um in der Weihnachtszeit psychisch und seelisch gesund zu bleiben?
Weihnachten ist für viele Menschen in Deutschland der emotionale H?hepunkt des Jahres. Deswegen ist die initiale Frustration durch die Einschr?nkung des Lockdowns verst?ndlich. Wir sollten jetzt auf unsere Mitmenschen Acht geben, die in den n?chsten Wochen vielleicht unter Einsamkeit und sozialer Isolation leiden werden. Wie geht es Ihrem Nachbarn, vielleicht bieten Sie Unterstützung an, z.B. einen gemeinsamen Weihnachtsspaziergang oder Hilfe beim Einkauf? Auf der anderen Seite haben wir nun die M?glichkeit, alte Weihnachtstraditionen zu überdenken und Weihnachten für uns neu zu definieren: Müssen wir im gro?en Verbund feiern? Ist die ganze Logistik mit Geschenken, Essen und dem vielen Reisen zu Weihnachten wirklich notwendig? Es besteht jetzt die Gelegenheit, sich ehrlich über die Wünsche und Bedürfnisse in der Familie auszutauschen und Weihnachten neu zu denken. Und das gro?e Familienfest vielleicht im Sommer unter freiem Himmel nachzuholen.
Wenn man jetzt in eine pers?nliche Krise der Einsamkeit rutscht, wohin kann man sich in den n?chsten Wochen wenden?
Sollte man sich akut stark belastet fühlen und sofort Hilfe ben?tigen, gibt es weitere Ansprechpartner:?
- Die Telefonseelsorge ?unter der Nummer:?0800 111 0 111
- Der Berliner Krisendienst?hilft schnell und qualifiziert bei psychosozialen Krisen bis hin zu akuten seelischen und psychiatrischen Notsituationen.?
- Das Kinder- und Jugendtelefon erreicht Ihr unter der Nummer:?116 111?(an Wochentagen von 14-20 Uhr).
Weihnachten ist – da brauchen wir uns nichts vorzumachen – nicht nur ein emotionaler H?hepunkt, sondern auch für viele Menschen eine Krisensituation, wenn alte Familienkonflikte unterm Weihnachtsbaum wieder aufbrechen. Da kommt es durch die langen, unstrukturierten Feiertage, die fehlende Alltagsroutine und auch den Alkoholkonsum zu Konflikten bis hin zur Gewaltt?tigkeit. Darüber hinaus wird dieses Jahr das Thema bei Hilfesuchenden sehr stark Einsamkeit und Isolation sein. Meine Empfehlung ist: Wir sollten jetzt die Vorweihnachtszeit nutzen, um uns zu überlegen, wie wir Weihnachten verbringen k?nnen, indem wir aktiv andere Menschen in der Familie und im Freundeskreis ansprechen und einmal schauen, wie wir ein Corona-kompatibles Weihnachten feiern k?nnen und dabei niemanden vergessen.
Gibt es schon erste Beobachtungen aus Ihrer Studie?
Wir haben eine gute Resonanz und sehen, dass sich relativ viele Menschen mit Vorerkrankungen bei uns melden, die jetzt durch den Corona-Stress Rückf?lle erleiden – durchaus mit klinischer Relevanz. Unser Hilfsangebot besteht auch über Weihnachten in Form einer digitalen Beratung, mit der man in kurzen Einheiten chatten kann und hilfreiche Tipps und ?bungen bekommt, wie man mit Schlafst?rungen, Grübeln und Sorgen, Verstimmungen und Konflikten umgehen kann. Und wenn das nicht ausreicht, kann man danach noch an einem Gruppenprogramm bei uns teilnehmen, das wir derzeit im virtuellen Format durchführen.?
Weitere 金贝棋牌?
- Umfrage und Beratung auf der Website des Programms
- Pressemitteilung zum Start der Studie
- Ulrike Lüken über Angstst?rungen im HU-Wissenschaftspodcast
- Webseite des Instituts
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Prof. Dr. Ulrike Lüken
Dipl.-Psych., Psychol. Psychotherapeutin
Lebenswissenschaftliche Fakult?t
Institut für Psychologie,?Humboldt-Universit?t zu Berlin
Tel.: +49 30 2093 9307
ulrike.lueken@hu-berlin.de
Prof. Dr. Julia Asbrand
Dipl.-Psych., Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin
Lebenswissenschaftliche Fakult?t
Institut für Psychologie,?Humboldt-Universit?t zu Berlin
Tel.: +49 30 2093 1859
julia.asbrand@hu-berlin.de
Pressekontakt
Hans-Christoph Keller?
Pressesprecher der HU Berlin
Tel.: 030?2093-12710
hans-christoph.keller@hu-berlin.de