?Es gab in den USA nie ein goldenes Zeitalter politischer Harmonie“
In unserer neuen Reihe über den US-Wahlkampf sprechen wir mit verschiedenen Experten über den diesj?hrigen Pr?sidentschaftswahlkampf in den Vereinigten Staaten von Amerika. In unserer ersten Folge berichtet Dr. Mischa Honeck, Privatdozent an der Humboldt-Universit?t zu Berlin über das derzeitige Amtsenthebensverfahren gegen den US-Pr?sidenten Donald Trump und seine Chancen auf Wiederwahl.
Herr Honeck, obwohl die Vorwürfe gegen Donald Trump nicht von der Hand zu weisen sind, decken die Senatoren der Republikaner den Pr?sidenten mit allen Mitteln. Warum?
Mischa Honeck: Das Impeachment ist kein gerichtliches Verfahren, sondern ein politischer Akt im juristischen Gewand. Wer nachweislich was getan hat, steht dabei also nicht im Vordergrund. Alles dreht sich um die Machtfrage, also inwieweit man seine W?hlerinnen und W?hler mobilisiert. Viele Senatorinnen und Senatoren müssen sich im kommenden Jahr einer Wahl stellen. Um Ihre Position durch den Sturz ihres Pr?sidenten nicht zu verschlechtern, blocken die Vertreterinnen und Vertreter der republikanischen Partei alle Vorwürfe gegen ihn ab.
Warum sah das beim Impeachment gegen Nixon anders aus?
Honeck: In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Fronten bei gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen in den USA extrem verh?rtet. Eine gro?e Rolle spielten dabei die Medien, nicht zuletzt kommerzielle TV-Sender, die an sachlichen Auseinandersetzungen wenig Interesse haben, sondern zugunsten der Quote auf Spektakel und Konfrontation setzen. Soziale Medien wie Facebook und Twitter haben diese Entwicklung noch versch?rft. Politisch bedeutet das: Wer seine Position unnachgiebig vertritt, auch mit windigen Argumenten, h?lt dadurch seine Stammw?hlerinnen und Stammw?hler bei der Stange. Es gibt kaum noch Wechselw?hler, die man überzeugen müsste.
Trump ging erst vor vier Jahren mit seiner Kandidatur in die Politik, ist also bei den Republikanern eher ein Au?enstehender. Warum ist die Partei von ihm abh?ngig?
Honeck: Die moderne republikanische Partei stützt sich seit den 1970ern auf drei Bewegungen: die libert?ren Befürworter eines schlanken Staates, die neoliberalen Wirtschaftsvertreter und die religi?s Konservativen. Trump hat für die Republikaner vor allem W?hler gewonnen, die früher eher Demokraten w?hlten: Alte, wei?e M?nner aus der Arbeiterklasse sicherten der Partei den Sieg. Zwischen diesen W?hlern und dem Pr?sidenten gibt es eine starke Bindung. Darauf will die Partei beim Blick auf ihr W?hlerpotenzial nicht verzichten.
Wie hat Trump diese W?hler für sich gewonnen?
Honeck: In den USA gibt es eine soziale Schieflage, die sich schon lange versch?rft. Digitalisierung und Globalisierung haben dort viele Arbeitspl?tze in der Industrie überflüssig gemacht. Au?erdem leben in diesem von Einwanderung gepr?gten Land über 300 Millionen Menschen, die sehr unterschiedlich ticken. Einen Sozialstaat europ?ischer Pr?gung, der soziale Konflikte abfedert, gibt es in den USA nicht. Vor dem Hintergrund der dortigen Medienlandschaft glauben viele Menschen dann einem Politiker, der ihnen viel verspricht.
Wird Trump also wiedergew?hlt?
Honeck: Es wird wohl knapp. Trump liegt konstant bei einer Zustimmung von 40 bis 45 Prozent. Eine? charismatische Gegenkandidatin oder ein charismatischer Gegenkandidat h?tte gute Chancen. Neben den wenigen Wechselw?hlern müssten auch potenzielle Republikaner überzeugt werden. Es gab in den USA nie ein goldenes Zeitalter politischer Harmonie, siehe den Bürgerkrieg oder die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre. Es fehlt derzeit aber eklatant am Bewusstsein, dass das Wohl des Landes über Einzelinteressen steht. Für die politische Kultur ist es dringend vonn?ten, dass beide Seiten wieder aufeinander zugehen und Kompromisse suchen.
Interview: Lars Klaa?en
Dr. Mischa Honeck ist an der Humboldt-Universit?t zu Berlin als Privatdozent t?tig. Seine Schwerpunkte sind Geschichte der USA im 19. und 20. Jahrhundert, Geschichte der transatlantischen Beziehungen sowie die aktuelle Tagespolitik in den USA.
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