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Auf dem elektronischen Prüfstand

Wie Studierende und Lehrende der HU digitale Prüfungen meistern / E-Assessment: Leitfaden des Computer- und Medienservice

Wenn Sarah Meyer zurzeit Prüfungen schreibt, dann ist (fast) alles wie sonst. Nur dass sie nicht in einem der H?rs?le der HU umringt von Kommiliton:innen sitzt, sondern allein im eigenen Zimmer am PC. Die Klausurstimmung fehlt. Damit ergeht es ihr aber gar nicht so schlecht. ?Ich kann zu Hause konzentrierter und fokussierter arbeiten, weil niemand aufsteht, um auf Toilette zu gehen, oder mit Papier raschelt“, sagt die Jurastudentin. ?Aber ich bin ziemlich selbstdiszipliniert. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht für alle einfach ist, von zu Hause aus zu schreiben.“ Zu fehlender Motivation, bedingt durch die Situation, k?men ungeeignete Wohnsituationen hinzu, beispielsweise WGs, die nicht über genügend Bandbreite oder die n?tige Ruhe verfügen.

Mit dem abrupten ?bergang zur digitalen Lehre im Sommersemester 2020 musste auch ein Gro?teil der Prüfungen digitalisiert werden. Seit Ende Februar finden an der HU wieder E-Prüfungen über die Lernplattform Moodle in h?uslicher Umgebung statt. Viele Fragen stell(t)en sich den Lehrenden dabei: Wie übertr?gt man Pr?senzprüfungen in ein digitales Format und was ist dabei inhaltlich, rechtlich und organisatorisch zu beachten? Wie verhindert man Betrugsversuche, ohne gegen europ?ische und nationale Datenschutzverordnungen zu versto?en? Welche technischen Vorkehrungen sind n?tig, um E-Prüfungen durchzuführen? Die Umsetzung von Pr?senz-Prüfungen ins digitale Format war und ist eine gigantische technische und organisatorische Herausforderung, die vor allem von einer kleinen Arbeitsgruppe im Computer- und Medienservice mit gro?em Engagement flankiert wird.

Take-Home-Klausuren bei den Juristen

Jede Fakult?t hat dabei ihre Besonderheiten, die es zu berücksichtigen gilt. Wer Jurist:in werden will, muss Klausuren und Hausarbeiten schreiben. ?An manchen Klausuren nehmen bis zu 500 Studierende teil. Wir haben ein einfaches Prüfungsszenario für die Modulabschlussprüfungen. Die Studierenden dürfen offline schreiben, am PC oder handschriftlich, und müssen nach abgelaufener Zeit ihre Arbeiten im pdf-Format bei Moodle hochladen“, sagt Martin B?hme, Referent für 金贝棋牌 im Studiendekanat der Juristischen Fakult?t. Für das Hochladen der Take-Home-Klausuren gew?hrte die Fakult?t im Sommersemester eine ganze Stunde Extra-Zeit. ?Einige Studierende haben die zus?tzliche Zeit zum Schreiben genutzt und sich dabei versch?tzt. Sie haben es nicht geschafft, rechtzeitig abzugeben“, berichtet B?hme. ?An dieser Stelle sind wir ziemlich streng.

Etwa zehn Prozent der Prüflinge sind im Sommersemester am Zeitmanagement gescheitert.“ Ansonsten versucht man den Studierenden entgegenzukommen. Es wird eine Testklausur angeboten, mit der Technisches geübt werden kann. Neben der regul?ren Rücktrittsm?glichkeit eine Woche vor dem Prüfungstermin gilt die coronabedingte Option, die es erlaubt, kurz vor Prüfungsbeginn zurückzutreten. Die Studierenden profitieren auch von der Regelung des Berliner Senats, dass Prüfungen, die im Sommersemester 2020 und im Wintersemester 2020/21 abgelegt und nicht bestanden werden, als nicht unternommen gelten. Und sie müssen erst gar nicht antreten, ohne dass ihnen dadurch Nachteile entstehen. Letzteres dürfte für viele allerdings keine Option sein, da sich die Wenigsten Zusatzsemester finanziell leisten k?nnen.

Betrug ist nicht auszuschlie?en – auch in Pr?senzklausuren nicht

Beim Take-Home-Examen der Juristen dürfen als Hilfsmittel nur Gesetztestexte benutzt werden (Closed-Book-Verfahren), aber wer kann das schon kontrollieren, wenn die Kameras aus sind? ?Ich befürchte manchmal, dass die Bewertung der Klausuren strenger ausfallen k?nnte oder Prüfungen schwieriger gestaltet werden als sonst üblich, um m?glichen Betrug zu kompensieren“, sagt die Studentin Sarah Meyer, die sich in der Fachschaft der Fakult?t engagiert.

?Betrug ist nie auszuschlie?en, auch nicht in Pr?senzklausuren“, sagt B?hme. ?Bei juristischen Prüfungen geht es nicht nur darum, Wissen abzufragen, sondern um das handwerkliche L?sen von F?llen und die Qualit?t der Argumentation.“ Eine schwierigere Modulabschlussklausur w?re denkbar, doch nur im Open-Book-Verfahren, also mit erlaubten Hilfsmitteln wie eigenen Notizen, Büchern, Internetnutzung. Die Frage stellt sich im Moment aber nicht. Die juristischen Schwerpunktprüfungen, die unter anderem eine fünfstündige Klausur umfassen und in die Endnote einflie?en, werden unter Hygienevorschriften nach wie vor in Pr?senz geschrieben.

Nicht die Privatsph?re von Studierenden verletzen

Das Thema Betrug besch?ftigt auch die Lehrenden an der Lebenswissenschaftlichen Fakult?t. Rüdiger Krahe, Professor für Verhaltensphysiologie am Institut für Biologie, setzt bei Prüfungen verst?rkt auf Fragen, die eigenst?ndiges Denken erfordern, nicht einfach zu googeln sind. Er setzt auch Multiple-Choice-Fragen ein. ?Die Prüflinge erhalten nach dem Zufallsprinzip die Fragen in unterschiedlicher Reihenfolge.“ Das erschwert den Informationsaustausch zwischen den Studierenden w?hrend einer Prüfung. Die M?glichkeit, sich mit Voranmeldung per Kamera oder Mikrofon einzuschalten und zu kontrollieren, nutzt Krahe nicht. ?Ich finde, es verletzt die Privatsph?re der Studierenden.“

Multiple-Choice-Prüfungen im E-Format bieten einen Vorteil: Sie k?nnen automatisch ausgewertet werden, die Lehrenden haben weniger Arbeit, und die Studierenden erhalten schneller ihre Ergebnisse. Bei den Juristen korrigieren ausw?rtige Korrektor:innen die Klausuren, was in organisatorischer Hinsicht anfangs ein Problem war. ?Vor Corona lief alles auf dem Papier- und Postweg über die Sekretariate. Das Prüfungsbüro nahm sich der L?sung des Problems an, um die Sekretariate zu entlasten. Die Klausuren werden jetzt als pdf in der HU-Box hochgeladen, die Korrektoren k?nnen darauf zugreifen“, sagt B?hme.

Soziale Interaktion mit Studierenden bewusst f?rdern

Krahe, der Prodekan für Lehre und Studium an der Lebenswissenschaftlichen Fakult?t ist, geht davon aus, dass die Mehrzahl der Studierenden wie der Lehrenden an seiner Fakult?t mit den digitalen Prüfungsformaten klarkommen. Es habe an der Fakult?t vereinzelt Lehrende gegeben, die keine schriftlichen digitalen Prüfungen abhalten wollten. ?Letztendlich waren sie aber bereit, mündliche Prüfungen per Zoom durchzuführen.“ Bleibt die Frage: Wie ergeht es Studierenden, wenn sie am heimischen PC schreiben? Im n?chsten Semester m?chte Krahe mehr mit seinen Studierenden per Zoom interagieren und plant, nicht gleich nach der Veranstaltung das Meeting zu beenden, sondern Raum für Fragen und Diskussion zu lassen. ?Die Studierenden haben nach den Vorlesungen einen Pulk von Fragen. Dem müssen wir in der digitalen Lehre mehr Raum geben.“

E-Assessment-Seite des Computer- und Medienservice kl?rt viele Fragen

Wie mache ich eine Prüfung im digitalen Format? Antwort auf diese Fragen finden Lehrende vorranging beim Computer- und Medienservice (CMS), wo vor allem Stefanie Berger und C?ng Pham bei technischen und didaktischen Fragen unterstützen und das n?tige Know-how liefern – über Webinare, Moodle-Kurse und Telefon beziehungsweise E-Mail-Unterstützung. W?hrend der Prüfungszeiten stehen beide au?erdem abwechselnd bereit, um bei Schwierigkeiten mit der Technik auf E-Mails und Telefonanrufe von Lehrenden und Studierenden zu reagieren.

Wertvolle 金贝棋牌 für die Gestaltung und Durchführung von E-Prüfungen finden Lehrende und Studierende seit Anfang des Jahres auf der E-Assessment-Seite des CMS: Theorie, ein Guide für E-Prüfungen, der von der Auswahl der Prüfungsform bis zur Prüfungsauswertung führt, Beispiele aus der Prüfungspraxis, Handreichungen und einiges mehr stehen hier bis ins allerkleinste Detail erkl?rt zum Nachlesen bereit. Geschrieben und verantwortet wird der Netzauftritt von Dr. Andrea Beyer, die im vergangenen Sommersemester noch selbst in der klassischen Philologie gelehrt hat. ?Bei E-Prüfungen geht es nicht nur um Technik; Didaktik ist ein wichtiges Mittel, das oft untersch?tzt wird“, sagt die CMS-Mitarbeiterin, die sich mit dem Thema E-Prüfung auch in einem Teilprojekt der Berlin University Alliance (BUA) besch?ftigt.

Prüfungen in Zukunft anders denken

Prüfungen k?nnen über das übliche Abprüfen von Fach- und Methodenwissen hinausgehen. ?Sie k?nnen beispielsweise auch semesterbegleitend stattfinden, indem Teilaufgaben absolviert werden. Die Studierenden nehmen mehr mit, als wenn sie kurz vor einer Klausur lernen. Lehrende müssen sich intensiver Gedanken machen, was Studierende am Ende k?nnen sollen, was für den Beruf wichtig ist.“ Beyer hat als Lehrende eine Modulabschlussprüfung durchgeführt, bei der die Studierenden eine Pr?sentation zu einem eigenen ?Forschungsprojekt“ – es ging um Didaktik im Lateinunterricht – in einem nicht-g?ngigen Pr?sentationsprogramm einreichen mussten. Solche und ?hnliche Formate sind in der Hochschulwelt aber in der Breite eher noch Zukunftsmusik.

Prüfungen an der Humboldt-Universit?t

Im Sommersemester 2019 wurden insgesamt 41.299 Prüfungsf?lle an der HU registriert, im Sommersemester 2020 waren es um einiges weniger: 36.753. ?Man darf dabei nicht vergessen, dass auch 13 Prozent der Lehrveranstaltungen nicht stattfinden konnten, weil sie Pr?senz erfordern, zum Beispiel im Labor“, sagt Dr. Andrea Beyer. Für die beiden Prüfungszeitr?ume des Wintersemesters 2020/21 sind in der Moodle-Prüfungsdatenbank bisher 349 Prüfungskurse mit knapp 27.000 Prüfungsf?llen eingetragen. Für weitere 50 Prüfungskurse liegen darüber hinaus keine Teilnehmerzahlen vor. (Stand 9. M?rz)

Autorin: Ljiljana?Nikolic

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