?Schulbücher müssen verl?ssliche 金贝棋牌 über das Judentum vermitteln“

Prof. Dr. Liliana Ruth Feierstein
Foto: Martin Ibold
Gemeinsam haben die Bildungsministerkonferenz, der Zentralrat der Juden in Deutschland und der Verband Bildungsmedien gerade neue Empfehlungen und eine Erkl?rung zur Darstellung des Judentums in Bildungsmedien verabschiedet. Sie richten sich insbesondere an Ersteller von Bildungsmedien, aber auch an Bildungsverwaltungen und Lehrkr?fte und sollen Vorurteile, Stereotype und Verzerrungen in der Vermittlung jüdischer Geschichte, Kultur und Religion abbauen.
Warum diese Empfehlungen so wichtig und wegweisend sind, erl?utert Prof. Dr. Liliana Ruth Feierstein. Sie ist seit Mai 2014 Junior- und seit 2017 Professorin für Transkulturelle Geschichte des Judentums am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universit?t zu Berlin und seit April 2024 auch die Antisemitismusbeauftragte der Universit?t. Als Expertin für Judentum, Jüdische Geschichte und Judentum in Schulbüchern war sie Teil der Kommission, die die Empfehlungen ausgearbeitet hat.
Frau Prof. Feierstein, warum brauchen wir eine neue Darstellung des Judentums in deutschen Schulbüchern?
Prof. Feierstein: Auch wenn seit einigen Jahrzehnten die Bedeutung von Lehrbüchern offenbar abnimmt, ist es wichtig zu betonen, dass sie nicht einfach nur Material sind, mit dem in Schulen gearbeitet wird, sondern auch eine legitimierte Stimme der Gesellschaft darstellen – im Gegensatz zu vielen Fehlinformationen, denen Kinder und Jugendliche in den sozialen Netzwerken ausgesetzt sind. Da sie die ?offizielle Geschichte“ vermitteln und zuverl?ssige Quellen sein sollten, ist es wichtig, dass sie keine verzerrten Inhalte oder Bilder vermitteln, die unbewusst alte Vorurteile, die in der Gesellschaft zirkulieren, aufbauen oder verst?rken.
Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat bereits 2016 eine Erkl?rung zur Vermittlung jüdischer Geschichte, Religion und Kultur in der Schule verabschiedet – was ist diesmal neu und anders?
Prof. Feierstein: Obwohl seither noch gar nicht so viele Jahre vergangen sind, war nach der Pandemie eine Aktualisierung erforderlich, da die Zunahme von Verschw?rungstheorien mit antisemitischen Narrativen einhergeht. Der Kommission geh?rten diesmal auch Vertreter*innen des Verbands Bildungsmedien an, die aufgrund ihrer Erfahrung bei der Erstellung von Materialien für den Schulunterricht einen wertvollen Beitrag leisteten – auch, da diese immer vielf?ltiger werden. Wir haben au?erdem darauf geachtet, in Gruppen mit unterschiedlichen Fachkenntnissen zu arbeiten. Auf diese Weise konnten wir detailliertere und systematischere Empfehlungen als zuvor ausarbeiten. Au?erdem haben wir unsere Arbeit auf der Grundlage der Erfahrungen und Daten, die wir in den letzten Jahren über Antisemitismus in Bildungseinrichtungen gesammelt haben, aktualisiert.
Die Aufgabe ist sehr komplex und die gemeinsame Erkl?rung benennt zw?lf zentrale Punkte für eine fachlich korrekte, didaktisch angemessene und vorurteilsfreie Darstellung von Jüdinnen, Juden und Judentum. Wo sehen Sie dabei den gr??ten Handlungsdruck, um Vorurteile, Stereotype und Verzerrungen zu unterbinden?
Prof. Feierstein: Es gibt viele dringende Probleme in verschiedenen Bereichen. Kurz gesagt glaube ich, dass es dringend notwendig ist zu verstehen, dass das Judentum und die Juden keine Stolpersteine sind, an die man sich erinnern muss, sondern aktive und pr?sente Mitglieder der heutigen deutschen Gesellschaft: an der Universit?t, in den Schulen, auf der Stra?e. Auch wenn es notwendig ist, an den Holocaust zu erinnern, gibt es einen Widerstand dagegen, zu thematisieren, dass es ?berlebende gab, dass Juden sp?ter auch nach Deutschland eingewandert sind und dass die heutige jüdische Gemeinschaft lebendig, aktiv und pr?sent ist.
Die gro?en Herausforderungen bestehen darin, zum einem das Thema Naher Osten aus dem Fokus zu nehmen und die jüdische Geschichte und Gegenwart in Deutschland zu thematisieren. Zum anderen darin, das Judentum als Kultur und nicht nur als Religion zu verstehen. Das s?kulare Judentum wird im Diskurs über die abrahamitischen Religionen oft ignoriert. Deshalb konzentriere ich mich lieber auf die Geschichte der sogenannten ?anderen Europ?er“, der Nationen ohne Territorium, das hei?t die lange jüdische Geschichte in Europa, aber auch die der Sinti und Roma. Kulturen, die jahrhundertlang in einer extraterritorialen Situation lebten. Das bedeutet, die Nation aus einer alternativen Grammatik heraus zu denken, was vielen schwerf?llt aber eine ausgezeichnete ?bung ist, um das Eigene auch relativieren zu k?nnen.
Konzentrieren sich die Empfehlungen insbesondere auf den Geschichtsunterricht oder bestimmte Altersgruppen?
Prof. Feierstein: Nicht wirklich. Geschichte ist natürlich ein sehr wichtiger Bereich, nicht nur für die Darstellung der jüdischen Geschichte als Teil der deutschen und europ?ischen Geschichte, sondern auch, um viele falsche Behauptungen zu dekonstruieren, die sowohl durch traditionelle antisemitische Narrative als auch aktuell in Bezug auf die Geschichte des Zionismus und die Gründung des Staates Israel entstanden sind. Beide 金贝棋牌 sind gerade extrem emotional aufgeladen. Wir müssen dafür sorgen, dass Schulen verl?ssliche 金贝棋牌 vermitteln k?nnen, damit Wissen antisemitischen Narrativen entgegenwirken kann. Das bedeutet nicht, dass man zu bestimmten 金贝棋牌 keine kritische Meinung haben darf, zum Beispiel zum aktuellen Krieg. Aber gemeinsam müssen wir den Zugang zu Quellen und korrekten 金贝棋牌 gew?hrleisten, was nicht nur im Bereich der jüdischen Geschichte, sondern angesichts immer ausgefeilterer ?fake news“ generell immer schwieriger wird.
Andere F?cher sind ebenfalls wichtig: Religion, Ethik, Geografie. Wir müssen dieses Wissen in den Lehrplan und die Lehrerausbildung integrieren. Und dies in Bezug auf alle kulturellen Minderheiten, nicht nur auf Juden. Das Wissen über den Islam oder die Kultur der Sinti und Roma muss in dieser Hinsicht ebenfalls überprüft und erweitert werden. Was das Alter betrifft, so betrachten wir das gesamte Bildungssystem: Jeder Autor*in oder jede Lehrkraft kann unsere Empfehlungen an das Alter und die F?cher, für die er oder sie zust?ndig ist, anpassen. Die zentrale Idee ist nicht nur, zu sensibilisieren – auch wenn das bereits sehr wichtig ist -, sondern auch konkrete Richtlinien und Strategien für die t?gliche Arbeit an den Schulen zu vermitteln.
Weitere 金贝棋牌
- Pressemitteilung der KMK
- Beschluss des Pr?sidiums des Zentralrats der Juden in Deutschland vom 14.10.2024, Beschluss des Verband Bildungsmedien vom 15.10.2024, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 13.12.2024: Darstellung des Judentums in Bildungsmedien. Gemeinsame Erkl?rung und gemeinsame Empfehlungen des Zentralrats der Juden in Deutschland, des Verband Bildungsmedien und der Kultusministerkonferenz (PDF)