Presseportal

Impulse für die Züchtung von Kulturpflanzen angesichts des Klimawandels

Mithilfe neuer statistischer Verfahren ergründen Forschende das komplexe Wechselspiel zwischen Lebenszyklus, Umweltfaktoren und Erbinformation am Beispiel von Weizen.

Getreidepflanzen wie Weizen reagieren empfindlich auf den Klimawandel. Viele Studien zeigen, dass ihr Ertrag mit steigenden Temperaturen und zunehmenden Extremwetterereignissen sinkt. Ein Team um den Agrarwissenschaftler Prof. Dr. Tsu-Wei Chen von der Humboldt-Universit?t zu Berlin hat ein neues statistisches Verfahren entwickelt, mit dem die Forschenden nachweisen konnten, dass es bestimmte Zeitfenster im Lebenszyklus der Pflanzen gibt, in denen Umweltfaktoren wie Temperaturen oder Niederschl?ge besonders gro?en Einfluss auf die sp?teren Ertr?ge haben. Wie hoch die Ertragseinbu?en bei ungünstigen Umweltbedingungen sind, ist auch von der genetischen Ausstattung einzelner Sorten abh?ngig. Daher k?nnen die Erkenntnisse wichtige Impulse für die künftige Züchtung von stressresistenten Weizensorten liefern. Ihre Ergebnisse ver?ffentlichten die Forschenden in der renommierten Fachzeitschrift Nature Plants.

Klimawandel ver?ndert Anbaubedingungen und führt schon heute zu Ernteausf?llen

Winterweizen geh?rt zu den wichtigsten Kulturpflanzen weltweit und ist damit entscheidend für die Ern?hrungssicherheit. Viele Faktoren, wie etwa die H?he der Temperaturen und Niederschl?ge, die Bodenqualit?t, die Art der Bewirtschaftung oder die verwendete Sorte bestimmen darüber, wie gro? die Ernte am Ende ausf?llt. Der Klimawandel ver?ndert die Anbaubedingungen und führt bereits heute zu gro?en Ernteausf?llen. Landwirtinnen und Landwirte müssen sich darauf einstellen und brauchen neue L?sungen.

Wichtige Zeitfenster im Lebenszyklus der Pflanze

?Es ist bereits bekannt, dass Winterweizen in der Blütezeit von etwa Ende Mai bis Anfang Juni sehr empfindlich gegenüber hohen Temperaturen ist“, erkl?rt Tsu-Wei Chen. Steigen die Temperaturen in dieser Zeit auf über 30 Grad Celsius, sinkt die Befruchtungsrate rapide, da der Pollen Schaden nimmt. Die Pflanze bildet dann nur wenige K?rner und der Ertrag bleibt gering. Im Lebenszyklus der Weizenpflanze gibt es sehr viele dieser speziellen Zeitfenster, in denen sie empfindlich auf verschiedene Umwelteinflüsse reagiert. Das Zusammenspiel von Umwelt, Erbgut und Entwicklungsphase in diesen Zeitfenstern zu untersuchen ist schwierig.

Komplexe Zusammenh?nge werden mit neuer Methode sichtbar

?Es gibt Hunderte Weizensorten allein in Deutschland und alle haben unterschiedliche Eigenschaften“, erkl?rt Tsu-Wei Chen. ?Es ist nahezu unm?glich, alle Sorten in Feldversuchen detailliert zu charakterisieren, um s?mtliche St?rken und Schwachstellen und die Wechselwirkungen mit der Umwelt zu ermitteln.“ Um diese Zusammenh?nge trotzdem besser zu verstehen, entwickelten die Forschenden ein statistisches Verfahren und wendeten es auf Daten aus Feldversuchen mit 220 unterschiedlichen Winterweizensorten an, die an sechs Versuchsstandorten in ganz Deutschland in drei aufeinanderfolgenden Saisons angebaut wurden. Für jeden Standort, jede Sorte und jedes Versuchsjahr wurden Bodendaten und die entscheidenden Ertragskomponenten, also Kornzahl pro ?hre, ?hrenzahl und Tausendkorngewicht, ermittelt. Diese Daten kombinierte das Forschungsteam mit Wachstumsmodellen und ausgew?hlten Wetterdaten der jeweiligen Region zu insgesamt 81 verschiedenen Zeitfenstern pro Saison.

Durch das neue statistische Verfahren haben die Forschenden nicht nur alle bereits bekannten empfindlichen Entwicklungsphasen identifiziert, sondern auch neue Schlüsselmomente des pflanzlichen Lebenszyklus erkannt. Sie konnten ebenfalls ermitteln, welche Umwelteinflüsse zu diesen Zeitpunkten entscheidend sind und wie stark die einzelnen Sorten darauf reagieren. So entdeckten sie etwa, dass die Nachttemperatur vor der Blüte die Korngr??e steuert, dass Niederschl?ge auch noch nach der Blüte die Anzahl der ?hren erh?hen oder dass w?hrend der sp?ten Kornfüllungsphase Ende Juli die Intensit?t der Sonnenstrahlung das Gewicht der reifen K?rner beeinflusst.

Züchtung stressresistenter Sorten

?Wir haben nicht nur neue sensitive Zeitfenster entdeckt, sondern auch Stressresistenzen in bestimmten Sorten“, betont Tsu-Wei Chen. Diese Erkenntnisse sind für die zukünftige Züchtung besonders wichtig, um Sorten und genetische Ressourcen identifizieren zu k?nnen, die weniger empfindlich gegenüber Umweltschwankungen sind und daher zuverl?ssig stabile Ertr?ge liefern k?nnen. Au?erdem erlauben die neuen Methoden, Getreideertr?ge unter zukünftigen Klimabedingungen vorherzusagen. ?Unsere Ergebnisse er?ffnen neue Forschungsfelder für die Zukunft und werfen auch zahlreiche unbeantwortete Fragen auf. Zum Beispiel müssen wir untersuchen, welche physiologischen Prozesse und Mechanismen die Sensitivit?t regulieren und welche genetischen Regionen und Gene damit verbunden sind“, erkl?rt der Forscher.

Beteiligte Institutionen

Leibniz Universit?t Hannover, Christian-Albrechts-Universit?t Kiel,
Justus-Liebig-Universit?t Gie?en, Julius Kühn-Institute , Universit?t Bonn

Zur Person

Prof. Dr. Tsu-Wei Chen ist seit 2020 Professor für Intensive Plant Food Systems an der Fakult?t für Lebenswissenschaften der Humboldt-Universit?t zu Berlin. Im Jahr 2020 wurde er in das renommierte Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) aufgenommen. Er erforscht die physiologischen Funktionen g?rtnerischer und landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (Getreide und Gemüse) und wie diese Funktionen durch Pflanzenzüchtung verbessert werden k?nnen.

Weitere 金贝棋牌 zur Professur Intensive Plant Food Systems

Publikation

Khadija Sabir, Till Rose, Benjamin Wittkop, Andreas Stahl, Rod J. Snowdon, Agim Ballvora, Wolfgang Friedt, Henning Kage, Jens Léon, Frank Ordon, Hartmut Stützel, Holger Zetzsche and Tsu-Wei Chen. 2023. Stage-specific genotype-by-environment interactions determine yield components in wheat.

Zum Artikel in Nature Plants

Bild zum Download
Copyright: Tsu-Wei Chen

金贝棋牌

Prof. Dr. Tsu-Wei Chen
Ein Institut der Humboldt-Universit?t zu Berlin
Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften
Fachgebiet Intensive Plant Food Systems
Lentzeallee 75,?14195 Berlin

Tel.: 030 2093 46295
tsu-wei.chen@hu-berlin.de
ORCID iD