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Das EU-Mercosur Freihandelsabkommen steht in direktem Widerspruch zum European Green Deal

Internationales Forscher*innen-Team mit Beteiligung der HU Berlin prüft Abkommen auf Nachhaltigkeit

Amazonasgebiet

Im brasilianischen Amazonasgebiet (Provinz Mato Grosso) werden
tropische?W?lder durch Weideland für Rinder ersetzt.
Foto:?Thiago Foresti

Die Europ?ische Union erw?gt weiterhin, das Freihandelsabkommen mit Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay, dem so genannten Mercosur-Block, zu unterzeichnen. Gleichzeitig entfernt sich mit Brasilien einer der gr??ten Handelspartner immer weiter von den Zielen des Pariser Klimaabkommens, das u.a. eine Reduktion der Entwaldung vorsieht. Ein internationales Forscher*innen-Team mit Beteiligung der HU Berlin, der Senckenberg Gesellschaft und des UFZ, hat unter Leitung der Universit?t Oxford den Vertragsentwurf unter die Lupe genommen. Dabei zeigt sich: Das Abkommen steht in vielen Punkten in klarem Gegensatz zum European Green Deal und widerspricht einer Reihe von Nachhaltigkeitskriterien.

Nach Verhandlungen, die sich über zwei Jahrzehnte hingezogen hatten, einigte sich die EU Ende Juni 2019 mit den L?ndern des südamerikanischen Mercosur-Blocks auf einen Vertragsentwurf für ein gemeinsames Freihandelsabkommen. Das Abkommen verspricht für Europa billigeres Fleisch, weiterhin zollfreies Soja und günstige Ethanol-Importe. Doch zunehmend wird klar, dass diese Importe entscheidend zur Zerst?rung von tropischen W?ldern in Südamerika beitragen und damit die Lebensgrundlage indigener V?lker beeinflussen.

EU-Mercosur Abkommen?steht im Widerspruch zu Grundprinzipien des European Green Deal

Die Entwaldung in Südamerika setzt gro?e Mengen Kohlendioxid frei, was den Klimawandel weiter antreibt. Darüber hinaus beschleunigt die gro?fl?chige Abholzung das Artensterben und erh?ht letztlich auch das Risiko für künftige Pandemien. Insgesamt k?nnte sich das ?kosystem des Amazonas durch die Entwaldung einem Kipppunkt n?hern, der einen raschen Wandel von Regenwald zu trockenen Savannen nach sich ziehen k?nnte. Dies würde die Niederschl?ge, von denen die südamerikanische Landwirtschaft abh?ngt, drastisch reduzieren.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor diesem Hintergrund Bedenken angemeldet. Nach ihrem Treffen mit Greta Thunberg und anderen jungen Klimaaktivist*innen im August 2020 sprach sie von ?erheblichen Zweifeln“ an der Umsetzung des EU-Mercosur Abkommens. Forscher*innen aus 22 internationalen Forschungseinrichtungen, darunter die Humboldt-Universit?t Berlin, das Senckenberg Biodiversit?t und Klima Forschungszentrum und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, haben das geplante Abkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten analysiert. Ihr vernichtendes Urteil: Es steht im Widerspruch zu den drei Grundprinzipien des European Green Deal.

Erstens sieht der EU Green Deal vor, dass bis 2050 keine Netto-Treibhausemissionen mehr freigesetzt werden. Rindfleisch und Soja-Viehfutter aus dem Mercosur-Block verursachen jedoch riesige Emissionen, vor allem wenn für die Produktion Regenw?lder gerodet werden. Zweitens soll das Wirtschaftswachstum gem?? EU Green Deal von der Ressourcennutzung entkoppelt werden. Die Forscher*innen argumentieren, dass es jedoch ein erhebliches Risiko gibt, dass das Wirtschaftswachstum im Mercosur-Block auf Kosten natürlicher Lebensr?ume und des Klimaschutzes geht. Drittens, so steht es im EU Green Deal, soll keine Gruppe oder Region durch die wirtschaftliche Entwicklung benachteiligt werden. Die Forscher*innen bezweifeln jedoch, dass das Mercosur-Abkommen diesem Ziel gerecht wird, da es ohne Einbeziehung der lokalen Bev?lkerung, wie zum Beispiel indigener Gemeinschaften, verhandelt wurde.

Studie beschreibt?einen Weg zu nachhaltigen Handelsabkommen

Trotz all ihrer klimafreundlichen Bestrebungen ist die EU weltweit führend beim Import von Agrarprodukten, die Entwaldung verursachen. Zwischen 1990 und 2008 wurde für die Ausweitung der Anbaufl?chen, die mit Konsum in der EU in Verbindung stehen, eine Fl?che der Gr??e Portugals gerodet. Auch ohne Handelsabkommen importiert die EU jedes Jahr über 10 Millionen Tonnen Soja und 200 000 Tonnen Rindfleisch aus dem Mercosur-Block. Dafür wird in der Anbauregion alle drei Minuten die Fl?che eines Fu?ballfeldes gerodet.

Als zweitgr??ter Handelspartner Brasiliens tr?gt die EU somit entscheidende Verantwortung dafür, nachhaltigem Handel eine hohe Priorit?t einzur?umen und Handelsabkommen so auszugestalten, dass diese sowohl dem Umwelt- und Klimaschutz als auch den Menschenrechten Rechnung tragen. ?Europa macht sich mitschuldig an Verbrechen, die im Namen der landwirtschaftlichen Produktion begangen werden“, erkl?rt S?nia Guajajara, Anführerin der Articula??o dos Povos Indígenas do Brasil, einer brasilianischen Organisation, die über 300 indigene Gruppen vertritt. W?hrend Menschen ihr Leben riskieren, um W?lder zu schützen, ger?t die Lage immer mehr au?er Kontrolle. Abholzung und gewaltt?tige Angriffe auf die indigene Bev?lkerung haben sich seit Bolsonaros Amtsantritt als Staatspr?sident beschleunigt. Allein in diesem Sommer wurden bereits 516 Gro?br?nde im brasilianischen Amazonasgebiet erfasst – die meisten davon wurden illegal gelegt und stehen im Zusammenhang mit Rodungen für die Landwirtschaft. ?Europa und andere Verbraucherm?rkte müssen lernen, ihre Konsumkraft so zu nutzen, dass unsere traditionellen Rechte respektiert werden und die Erhaltung der W?lder gef?rdert wird“, so Guajajara weiter.

In ihrer Studie formulieren die Forscher*innen einen Weg zu nachhaltigen Handelsabkommen. Dies würde jedoch rasches Handeln der europ?ischen Entscheidungstr?ger erfordern. Neben transparenten Lieferketten, die eine Rückverfolgbarkeit der Herkunft von landwirtschaftlichen Produkten erm?glichen, muss ein partizipativer Prozess eingeleitet werden, der indigene V?lker, lokale Gruppen, politische Entscheidungstr?ger*innen und Wissenschaftler*innen mit einbezieht. Weitere Mechanismen sind die Schaffung effektiver kollektiver Rechtsbehelfe (damit unterrepr?sentierte Gruppen rechtliche Schritte einleiten k?nnen), Due Diligence (damit Unternehmen rechtlich für ihre gesamten Lieferketten verantwortlich sind) und die Aussetzung des Handels mit Waren, die im Zusammenhang mit Entwaldung oder Menschenrechtsverletzungen stehen.

?Das Zeitfenster zur Vermeidung der Folgen des Klimawandels schlie?t sich“

?Wir wollen, dass die EU aufh?rt, Produkte zu importieren, deren Anbau im Ausland zu Umweltzerst?rungen führen. Stattdessen sollte sie eine weltweit führende Rolle übernehmen, um den nachhaltigen Handel zu erm?glichen“, sagt Laura Kehoe, Erstautorin der Studie von der Universit?t Oxford. ?Wenn Lebensmittel auf illegal abgeholzten Fl?chen angebaut werden, warum ist es dann nicht illegal, sie zu kaufen?“

Der Artikel unterstreicht auch, wie die wirtschaftliche Macht des internationalen Handels als Anreiz genutzt werden k?nnte, den Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens nachzukommen: ?Wichtig w?re es, Handelsverbote für bestimmte Waren und Dienstleistungen einzuführen, bis diese Waren grundlegenden Rechts- und Nachhaltigkeitskriterien entsprechen, die im Einklang mit den internationalen Abkommen stehen. In Anbetracht des Mangels an rechtlichen Mechanismen zur Durchsetzung internationaler Abkommen, wie des Pariser Abkommens, k?nnte dies eine besonders wirkungsvolle politische Ma?nahme sein“, so Kehoe.

Gerade weil Entwaldung, Klimawandel und die Verletzung der Rechte indigener V?lker zurzeit eskalieren, sind rasche und konkrete Ma?nahmen der EU von entscheidender Bedeutung. ?Das Zeitfenster zur Vermeidung der Folgen des Klimawandels schlie?t sich. Wie die Schulstreiks und Klimaproteste in ganz Europa gezeigt haben, sollten wir Produktionspraktiken, die den Klimawandel verursachen, nicht l?nger hinnehmen“, sagt Tiago Reis, von der Université Catholique de Louvain in Belgien.

Eine traurige Ironie des Ganzen: Es würde eigentlich keinen Bedarf für weitere Entwaldung in Brasilien geben. Untersuchungen haben gezeigt, dass die prognostizierte Nachfrage für landwirtschaftliche Produkte allein durch bessere Abbaupraktiken und der Wiederherstellung degradierter Fl?chen gedeckt werden k?nnte, ohne dass eine weitere Abholzung von tropischen W?ldern erforderlich w?re.

Laura Kehoe: ?Die Welt schreit nach Taten. Wir müssen den internationalen Handel so regeln, dass er keine Konflikte und Umweltzerst?rung im Ausland schürt. Eine Reihe von L?sungsans?tzen gibt es.“

Publikation

Laura Kehoe, Tiago NP dos Reis, Patrick Meyfroidt, Simon Laursen Bager, Ralf Seppelt, Tobias Kuemmerle, Erika Berenguer, Michael Clark, Kyle Frankel Davis, Erasmus K.H.J. zu Ermgassen, Katharine Nora Farrell, Cecilie Friis, Helmut Haberl, Thomas Kastner, Katie L. Murtough, U. Martin Persson, Alfredo Romero-Mu?oz, Chris O'Connell, Viola Valeska Sch?fer, Malika Virah-Sawmy, Yann le Polain de Waroux, and Joseph Kiesecker: The EU-Mercosur Agreement fails to meet the three tenets of sustainable trade: inclusion, transparency & enforcement; One Earth; https://doi.org/10.1016/j.oneear.2020.08.013

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Prof. Tobias Kümmerle [Deutsch & Englisch]
Humboldt Universit?t Berlin

Tel.:?+49 1577 6801769
tobias.kuemmerle@hu-berlin.de

Dr. Thomas Kastner [Deutsch & Englisch]
Senckenberg Biodiversit?t und Klima Forschungszentrum

Tel.:?+49 69 7542 18-07
thomas.kastner@senckenberg.de

Prof. Ralf Seppelt [Deutsch & Englisch]
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung / Department Landschafts?kologie

ralf.seppelt@ufz.de

Dr. Laura Kehoe [Englisch & Spanisch]
University of Oxford, UK

Tel.:?+353 89 604 9212 (BST)
laurajkehoe@gmail.com

Tiago Reis [Englisch & Portugiesisch]
Université Catholique de Louvain, Belgien

Tel.: +32 486 453 931 (CET)
tiago.reis@uclouvain.be