?Es gab weder eine West- noch eine Ost-Dominanz“
Der Agrarwissenschaftler Uwe Jens Nagel siedelte von der TU über

Uwe Jens Nagel, Foto: Bernd Prusowski
Die drei gro?en Berliner Universit?ten kennt er alle von innen. An der Freien Universit?t studierte er, an der Technischen Universit?t promovierte er und an der Humboldt-Universit?t hatte der Soziologe die Professur für Landwirtschaftliche Beratung und Kommunikationslehre inne. Als 1989 die Mauer fiel, war Uwe Jens Nagel wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für L?ndliche Entwicklung, das man heute mit der Humboldt-Universit?t verbindet und das damals noch an der Technischen Universit?t angesiedelt war, genauer gesagt: am Fachbereich Internationale Agrarentwicklung. Eine Professur, die seine Forschungsschwerpunkte Entwicklungstheorie und landwirtschaftliche Beratung vereinte, konnte er sich gut vorstellen.
?Damals gab es drei Universit?ten, die einen solchen Schwerpunkt hatten: G?ttingen, Gie?en und Hohenheim“, erinnert sich Nagel. ?Ein Professor aus Hohenheim, Erwin Reisch, leitete Anfang der 90er Jahre als Gründungsdekan die Umstrukturierung der Agrarwissenschaften an der HU und etablierte eine Professur mit diesem Schwerpunkt. Das war ein Glücksfall für mich.“ In der deutschen Hochschullandschaft wurden Anfang der 1990er Jahre die Karten im Eiltempo neu gemischt. Der Wissenschaftsrat evaluierte 1991 die Berliner Agrarwissenschaften, die sich als Folge des Kalten Krieges und der Teilung der Stadt in Berlin Mitte an der Invalidenstra?e und in Dahlem an der Lentzeallee befanden. Der Wissenschaftsrat gab grünes Licht für die Weiterentwicklung – an der Humboldt-Universit?t. So wurde 1992 der Fachbereich Agrar- und Gartenbauwissenschaften etabliert, der 1993 wieder zur Landwirtschaftlich-G?rtnerischen Fakult?t (LGF) wurde. Nagel bewarb sich auf die erw?hnte Professur und kam 1993 an die Humboldt-Universit?t.
?Nicht alle am TU-Fachbereich waren darüber glücklich“
?Was viele nicht wissen, nicht nur Ost-, sondern auch die Westprofessoren wurden damals der obligatorischen Evaluation unterzogen“, sagt Nagel. ?Nicht alle am TU-Fachbereich waren darüber glücklich, einige schauten mit Arroganz auf den Wechsel in ?den‘ Osten.“ Nagel selbst radelte t?glich durch das Brandenburger Tor in sein Büro in der Luisenstra?e und freute sich über die gefallenen Grenzen und seine neue Wirkungsst?tte. Mit Ernst Lindemann, dem ehemaligen Sektionschef der Agrarwissenschaften und neuem Dekan der Landwirtschaftlich-G?rtnerischen Fakult?t, war ein Mann an der Spitze, der eine gute fachliche Reputation und ein H?ndchen für die Wiedervereinigung in den Agrarwissenschaften hatte.
?Es ist ihm gelungen, Menschen mit unterschiedlichen biografischen Hintergründen gut zusammenzubringen, es gab weder eine West- noch eine Ost-Dominanz.“ Nagel wunderte sich anfangs vor allem über die Gepflogenheiten der Kolleg*innen mit Ostbiografie. Bei der traditionellen Vorstellungsrunde wurde erst einmal ein Schnaps getrunken – morgens. Diese Tradition verflüchtigte sich schnell, einer anderen blieb Nagel bis zu seinem Ausscheiden treu: dem gemeinsamen Frühstück auf Lehrstuhl- oder Institutsebene.
Positive Erfahrungen an der?Humboldt-Universit?t
Anfangs war die LGF mit circa 40 Professuren sehr gro?. ?Die Professoren, die nicht positiv evaluiert wurden, wurden nicht abgewickelt, sondern gingen in den so genannten ?berhang. Das hie?, sie hatten keinen Lehrstuhl, forschten und arbeiteten aber wie gehabt weiter“, erkl?rt Nagel, der von 2006 bis 2011 im Pr?sidium als Vizepr?sident für Studium und Internationales wirkte.
Auch wenn die Aufbruchstimmung nach der politischen Wende 1989, in der alles m?glich schien, nicht ewig w?hrte, die LGF in sp?teren Jahren harte Zeiten durchmachte, da ihre Schlie?ung aufgrund von Sparma?nahmen immer wieder drohte und Nagel Anfang der 2000er in seiner Position als Dekan gefordert war, das zu verhindern, resümiert der 77-J?hrige: ?Meine Erfahrungen an der Humboldt-Universit?t waren insgesamt sehr positiv.“
Autorin:?Ljiljana Nikolic