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?Ich wollte eine spielerische Neugier wecken”

Im Gespr?ch erz?hlt Alexander Klose, Büro für prek?re Konzepte, Berlin, von der Entstehung des Bahnhofs der Wissenschaften und was wir mit Hilfe von Quietscheenten über die Erde lernen k?nnen.

Foto: Alexander Klose

Alexander Klose: Das ist alles relativ schnell entstanden. Als die M?glichkeit aus diesem U-Bahnhof einen Bahnhof der Wissenschaften zu machen aufkam, wurden Schiel-Projekte und TheGreenEyl beauftragt, die dann mich beauftragt haben. Das Gerüst stand da schon, es sollte ums Anthropoz?n gehen. Wir haben uns gefragt, welche Zukunftsaufgaben wir uns im Zusammenhang mit dem Anthropoz?n stellen müssen und welche wissenschaftlichen Forschungen sich damit besch?ftigen. Da habe ich vorgeschlagen, dass man das in verschiedenen Umwelten darstellen k?nnte. Gleichzeitig haben wir angefangen zu recherchieren wer an welchen Instituten der Humboldt-Universit?t zu Berlin (HU) an für uns relevanten Forschungsfragen forscht. Ich habe dann ein paar Gespr?che mit Wissenschaftler:innen führen k?nnen und irgendwann war klar, dass wir versuchen wollten unsere Anthropoz?n-Umwelten m?glichst umfassend darzustellen, indem wir ganz viele Elemente, sowohl in Bild als auch in Text, davon versammeln.

Welcher Gedanke steckt hinter der Gestaltung der sechs Tafeln?

Die Wortwolken sind inspiriert von einer sehr berühmten Zeichnung Alexander von Humboldts, der Darstellung des Vulkans Chimborazo (?Tableau physique des Andes et pays voisins”, dt.: ?Naturgem?lde der Tropenl?nder”). Auf dieser hat er die ganze Vegetation kartiert und erstmals die These aufgestellt, dass man die Klimazonen der Erde sowohl in horizontaler, vom ?quator hin zu den Polen, als auch in vertikaler Richtung, vom Meeresspiegel bis ins Hochgebirge, nachzeichnen kann. Und dann hat er die ganzen Artenbezeichnungen in ganz kleiner Schrift neben seine Zeichnung von dem Berg geschrieben, so dass eben diese Wortwolke aus diesem Berg rauskommt. Im Bahnhof der Wissenschaften rufen die Wortwolken ganz viele unterschiedliche Kontexte und Diskurse auf.

Die Wimmelbilder von Illustratorin Nele Br?nner sind wie ein Puzzle entstanden. Wir haben die ganzen Einzelteile geliefert, die sie dann zu einem gro?en Ganzen zusammengefügt hat, das wir dann wiederum in gro?e Teile zerrissen und mit den Wortwolken durchsetzt haben. Es besteht aus ganz vielen Elementen, die nicht erz?hlt werden, sondern die Imagination anregen. Ich wollte eine spielerische Neugier wecken, aber eben im Zusammenhang mit dem Anthropoz?n. Dass man am Bahnsteig anf?ngt zu lesen und das h?ngen bleibt. So Wortfolgen, die dann im Kopf anfangen zu arbeiten, wirken vielleicht auch etwas wie konkrete Poesie.

Grafik: Nele Br?nner

Ich habe davor schon über verschiedene der Gebiete und das Anthropoz?n geforscht, sonst h?tte ich wahrscheinlich auch keinen so universellen Zugang gew?hlt. Ich musste das meiste Wissen also nur aktualisieren. Wir haben versucht die Felder herauszuarbeiten, auf denen die relevanten Geschehnisse zu den Umwelten passieren und geschaut was es da für Schnittstellen gibt. Hierfür haben wir dann unterschiedliche Wissenschaftler aus den Fachrichtungen Klimatologie, Biologie und Mathematik, aber auch Sozialgeoraphie, Anthropologie und Soziologie gesprochen.

Zu allen Elementen auf den Wimmelbildern gibt es Hintergrundgeschichten, beispielsweise der Hockeyschl?ger. Hintergrund hierbei ist ein Foto, welches wir in dem Buch ?Klimabilder” von Birgit Schneider, einer deutschen Medienwissenschaftlerin, gesehen haben. Das Foto zeigt ein Denkmal mit einem Eishockeyschl?ger. Das allein hat natürlich überhaupt nichts mit climate science zu tun, aber Schneider bringt es damit in Zusammenhang. Denn es gibt diese berühmte Hockeyschl?ger-Kurve oder Keeling-Kurve, die den Anstieg des Gehalts von Kohlendioxid in der Erdatmosph?re basierend auf Messungen, die 1958 bis heute get?tigt worden sind, zeigt. Sie hat die Form eines Hockeyschl?gers. Deshalb ist diese Hockeyschl?ger-Kurve ein Symbol geworden für diese Dramatik. Nele Br?nner hat dazu noch einen Puck mit Augen, Armen und Beinen gezeichnet, ein Puck-M?nnchen, das einem als Erstes ins Auge f?llt.

Cosima Kopp: Interessant. Darauf w?re ich jetzt nie gekommen, wenn ich da den Eishockeyschl?ger in dem Wimmelbild entdeckt h?tte.

Alexander Klose: Ja, das war die Idee, dass man bei vielen Dingen so ein bisschen um die Ecke denken muss oder sich eben fragt, weshalb das dort ist. Dass die Fahrg?ste eher mit einer Frage nach Hause gehen. Es w?re toll so nach und nach ein ganzes Glossarium der einzelnen Elemente zu schreiben. Für die Webseite habe ich nun damit angefangen kurze Ausstellungstexte zu drei Elementen, dem Wettersatelliten, dem Kohlenstoff-M?nnchen und dem Eisbohrkern, zu schreiben und zu erl?utern, warum diese auf das Wimmelbild mussten.

Beispielsweise das Quietscheentchen. Das ist ein lustiger Gegenstand, an dem sich aber etwas über das Natur-Kultur-System, in dem wir leben, erkl?ren l?sst. Im Jahr 1992 gab es einen Containerunfall, bei dem 28.800 Kunststofftiere ins Meer gespült wurden, darunter gelbe Enten, grüne Fr?sche, blaue Schildkr?ten und rote Biber. Solche Container-Unf?lle kommen immer wieder vor, meistens im Nordatlantik oder Nordpazifik. Bei Stürmen mit 15 Meter hohen Wellenbrechern werden dann Teile der Ladung über Bord gespült. Diese Container sinken zum Teil einfach zu Boden, aber manche brechen auf und entladen sich in den Ozean.

Im Laufe der darauffolgenden Jahre und Jahrzehnte sind diese Tierchen an Str?nden um die ganze Welt angespült worden. Zuerst fand man sie in Nordamerika und Alaska, wo der Ozeanograph Curtis Ebbesmeyer darauf aufmerksam wurde. Dieser hat an Computersimulationen von Meeresstr?mungen gearbeitet und kam auf die Idee, dass Leute ihm immer eine Meldung zu schicken sollen, wann und wo genau sie ein Plastikbadetierchen gefunden haben. Diese Daten hat er in seine Simulationen eingespeist. Daher, dass man meist die genauen Koordinaten dieser Container-Unf?lle wei?, kann man anhand der Fundorte und -zeiten Berechnungen darüber anstellen, was da genau auf dem Weg dazwischen passiert ist.

Das ist so ein Paradebeispiel für ganz viele kollaterale Effekte der industriellen Moderne, die genau durch ihre Verschmutzungst?tigkeit und rastloser Ressourcenausbeutung auch wahnsinnig viel Wissen darüber produziert hat wie die Erde funktioniert. Wir befinden uns in der paradoxen oder auch tragischen Situation, dass wir nur deshalb so viel Wissen über die Erde haben.

Wie finden Sie den U-Bahnhof, jetzt da dieser fertig und in 金贝棋牌 ist?

Ich finde es sieht echt toll aus. Ganz lange war ich vorsichtig in meinem Glauben, dass dieses Projekt realisiert wird und die Ausstellung dann in kleinerem Rahmen stattfinden muss. Als ich dort war haben ganz viele Leute sich das angeschaut und Fotos gemacht. Das ist schon ein erhebendes Gefühl so einen U-Bahnhof mitgestaltet zu haben!

Das Gespr?ch führte Cosima Kopp.

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