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Die Fischerei f?rdert kleine, scheue Fische

?ber die Fischerei werden vor allem gr??ere und aktivere Fische aus Populationen herausgefangen. Damit wirkt das Fischen als Selektionsfaktor, der scheue Fische bevorteilt, wie eine aktuelle Studie des Leibniz-Instituts für Gew?sser?kologie und Binnenfischerei (IGB) zeigt. Die F?rderung eher kleiner, scheuer und insgesamt weniger f?ngiger Fische hat Konsequenzen für die Qualit?t der Fischerei und erschwert es, die Entwicklung der Fischbest?nde genau zu erheben.

Professor Robert Arlinghaus steht auf einem kleinen Boot und angelt.
Foto: Tomas Engel

?Um Fischpopulationen nachhaltig zu nutzen, ist es wichtig, auch m?gliche evolution?re Ver?nderungen innerhalb der befischten Populationen zu kennen und m?gliche Gegenma?nahmen zu entwickeln“, sagt der Fischereibiologe Christopher Monk, Hauptautor der Studie.

Schneller geschlechtsreif, kleiner und weniger aktiv

Fischfang kann als Selektionsfaktor im Sinne Charles Darwins wirken, denn durch die Fischerei steigt die Sterbewahrscheinlichkeit. Dies f?rdert eine frühere Geschlechtsreife, da frühes Laichen unter befischten Bedingungen ein ?berlebensvorteil ist. Ein früherer Eintritt in die Reifung bedeutet aber auch, dass die Fische weniger Energie in das Wachstum investieren und als Folge nicht mehr so lang werden. Hinzu kommt, dass bei den meisten Fangmethoden, auch beim Angeln, überwiegend gr??ere Tiere im Kescher landen. Dies kann zu einer weiteren Verminderung der K?rperl?nge beitragen, weil es ein ?berlebensvorteil ist, langsamer zu wachsen. Das reduziert die Produktivit?t von Fischbest?nden.

Die Fischerei kann auch selektiv auf bestimmte Verhaltenstypen wirken. Damit sind Unterschiede in Verhaltensmerkmalen wie Aggression, Exploration oder auch Schwimmaktivit?t gemeint. Der erfolgreiche Fang mit Fangger?ten wie der Angel ist stark vom Verhalten des einzelnen Fisches abh?ngig. Beispielsweise attackieren aggressivere Tiere eher einen K?der als weniger aggressive Individuen. Auch kann ein Vielschwimmer eher mit der Angel oder einem Fischernetz in 金贝棋牌 kommen als standorttreue Fische. Da Verhaltensmerkmale eine vererbbare Komponente haben, kann der verhaltenselektive Fischfang dazu führen, dass Fischpopulationen scheuer und weniger schwimmaktiv werden – und dann künftig schlechter zu fangen sind.

Ein gro?er Hecht wurde mit einer Marke versehen (auf H?he der Rückenflosse zu sehen) und wird nun ins Wasser zurückgesetzt. So k?nnen die Forschenden nachvollziehen, wie sich die einzelnen Fische verhalten.
Foto: Philipp Czapla

Die Natur wirkt h?ufig in die andere Richtung: Gr??ere, mutigere Tiere pflanzen sich unter bestimmten Bedingungen besser fort. Es kommt zum Wettbewerb zwischen natürlicher und fischereilicher Selektion. Den Ausgang des Selektionswettkampfs haben die Forschenden nun an Hechtbest?nden in einem Forschungsgew?sser in Brandenburg über einen Zeitraum von vier Jahren untersucht.

Um die natürliche Selektion zu bestimmen, erfasste das Team den individuellen Reproduktionserfolg über genetische Zuordnungen zwischen Eltern und Nachkommen: Wie viele Nachkommen produzierten die einzelnen Hechte über die vier Jahre; und waren ?ltere und gr??ere Hechte sowie die Fische, die st?rker umherschwammen, auch erfolgreicher in der Nachkommensproduktion?

Selektion durch Fang ermittelten die Forschenden, indem sie Individuen, die sich angeln lie?en, mit Individuen verglichen, die nicht mit der Angel gefangen wurden. Bei einer Teilpopulation der Hechte analysierte das Team über ein Jahr die Aktivit?t der Fische mittels pr?ziser akustischer Telemetrie. So konnten sie genau ermitteln, wie einzelne Fische umherschwimmen, sich fangen lassen und wer wie viele Nachkommen hervorbringt.

?Gr??ere Hechte haben mehr Nachkommen. Die natürliche Selektion f?rdert daher gro?e Hechte. Die Fischereiselektion wirkt genau in die andere Richtung und bevorteilt eher die Tiere, die kleiner bleiben“, berichtet Christopher Monk zu den Ergebnissen. Dabei wies die Selektion durch den Angelfang auch eine Verhaltenskomponente auf: Bei gleicher Gr??e wurde ein aktiverer Hecht mit gr??erer Wahrscheinlichkeit gefangen als ein weniger aktiver. Eine entgegengesetzte natürliche Verhaltensselektion lie? sich nicht nachweisen. Der Fischereidruck wirkte also alleine in eine Richtung – zu eher scheuen, weniger aktiven Hechten.

?Unsere Arbeit legt nahe, dass der Wettkampf zwischen Natur und Angler dazu führt, dass eher die kleinen, inaktiven und schwerer zu fangenden Hechte überleben. Das kann sich langfristig in reduzierten Fangraten manifestieren und auch ?kologische Wirkungen haben, die wir allerdings noch nicht verstehen“, fasst Projektleiter Robert Arlinghaus vom IGB und der Humboldt-Universit?t zu Berlin zusammen.

L?ngenbegrenzung: nicht nur ein Mindestma?, sondern auch eine Obergrenze w?re gut

Mathematische Modelle zeigten, dass herk?mmliche Fangbeschr?nkungen wie Mindestma?e die Fischereiselektion nicht aufhalten, h?chstens abmildern konnten. ?Mindestl?ngenbegrenzungen sind nur bei sehr restriktiven Auslegungen in der Lage, die fischereiliche Selektion auf das Merkmal K?rpergr??e wirksam abzuschw?chen“, sagt Robert Arlinghaus. Um Best?nde besser zu schützen, k?nnten die Auslesewirkungen des Fischfangs aber verlangsamt werden, indem die bestehende Untergrenze durch eine Obergrenze zu einem ?Fangfenster“ erg?nzt wird. Drastischere Regelungen wie Begrenzung des Fangdrucks, Rotationen der für die Fischerei ge?ffneten Gebiete und effektiv gestaltete Schutzgebiete, in denen sich die gef?hrdeten Verhaltenstypen zurückziehen k?nnen, k?nnten die Auswirkungen der selektiven Befischung am wirksamsten abmildern. Allerdings ist hier die Forschung noch am Anfang, und die sozio?konomischen Konsequenzen für Fischer und Angler w?ren gravierend.

Die gute Nachricht ist: Mit jedem Hecht, der den Anglern oder Fischern künftig ein Schnippchen schl?gt, verringert sich auch das ?berfischungsrisiko der Population als Ganzes. Und vielleicht gibt es viel mehr Fische als wir h?ufig denken.

Publikation

"The battle between harvest and natural selection creates small and shy fish", Christopher T. Monk, Dorte Bekkevold, Thomas Klefoth, Thilo Pagel, Miquel Palmer, Robert Arlinghaus; PNAS, 22.02.2021

Projekt BODDENHECHT

Die Arbeiten fanden unter anderem im Rahmen des BODDENHECHT Projekts statt. Das Projekt ist ein von der EU (Europ?ischen Meeres und Fischereifonds, EMFF) und dem Land Mecklenburg-Vorpommern gef?rdertes inter- und transdisziplin?res Forschungs- und Praxisprojekt von ?Fischenden für Fischende“. Fischereiwissenschaftler*innen erarbeiten in enger Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Akteuren der Hechtfischerei vor Ort fischereibiologische und sozio-?konomische Fakten zur Hechtfischerei und zur Hechtangelfischerei rund Rügen. Auf diesen Fakten aufbauend werden von? Interessensvertretern (Berufs- und Angelfischerei, Naturschutz, Tourismus, etc.) in Runden Tischen tragf?hige Bewirtschaftungsempfehlungen für den Erhalt und die F?rderung der rügenschen Hechtbest?nde identifiziert. Diese Empfehlungen sollen nach Projektende (2023) in die Praxis umgesetzt werden. www.boddenhecht-forschung.de.

Robert Arlinghaus ist Leiter der Forschungsgruppe ?Integratives Angelfischereimanagement“ am Leibniz-Institut für Gew?sser?kologie und Binnenfischerei (IGB) und Professor für Integratives Fischereimanagement an der Humboldt-Universit?t zu Berlin. Er ist DFG-Communicator-Preistr?ger 2020. arlinghaus@igb-berlin.de, Arbeitsgruppe www.ifishman.de

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Leibniz-Institut für Gew?sser?kologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin
Projekt BODDENHECHT
Prof. Dr. Robert Arlinghaus (Projektleiter)
Dominique Niessner (Projektkoordinatorin)
Tel.: +49 (0) 30 64181-615 | +49 (0) 160 944 78 446
E-Mail: niessner@igb-berlin.de
www.boddenhecht-forschung.de