Presseportal

?Ein Vordenker der heutigen Wissenschaftslandschaft“

Ein Gespr?ch mit HU-Professor Christoph Markschies über Adolf von Harnack zu dessen 90. Todestag. Der Theologe war Mitbegründer der heutigen Max-Planck-Gesellschaft und Generaldirektor der heutigen Staatsbibliothek.

Christoph Markschies
Prof. Dr. Christoph Markschies
Foto: Matthias Heyde

Christoph Markschies ist Professor für Antikes Christentum an der Humboldt-Universit?t zu Berlin und designierter Pr?sident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

Herr Markschies, am 10. Juni 1930 starb Adolf von Harnack. Welche Bedeutung haben seine Person und sein Wirken nach 90 Jahren für den heutigen Wissenschaftsbetrieb?

Christoph Markschies: Wie nur Wenige vor und nach ihm hat Harnack luzide Detailforschung, Kommunikation von Wissenschaft für die ?ffentlichkeit sowie Wissenschaftsmanagement in seiner Person miteinander verbunden. Indem er alle diese Professionen sehr erfolgreich miteinander verband, war er in seiner Zeit eine besondere Figur und bleibt heute aktuell.

Was macht den Theologen als Forscher interessant?

Markschies: Es sind weniger Details seiner Forschungen zur Geschichte des Christentums, die bleibenden Wert haben. Die wurden schon zu seinen Lebzeiten kritisch diskutiert und regen heute eher zu abweichenden Sichtweisen an. Relevanter ist sein Wissenschaftsverst?ndnis. Als Theologe und Historiker beschr?nkte Harnack sich nicht auf geisteswissenschaftliche Perspektiven, sondern war auch den Naturwissenschaften gegenüber aufgeschlossen. Ihm war bewusst, dass die einzelnen Fachrichtungen sich immer st?rker spezialisieren und dennoch hat er Wissenschaft ganzheitlich betrachtet.

Entwickelte er mit seinem Wissenschaftsverst?ndnis die Ideen Wilhelm von Humboldts weiter?


Adolf von Harnack
Foto: HU Berlin

Markschies: Harnack hat perfekt in das Profil der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universit?t –der heutigen Humboldt-Universit?t – gepasst. Sein gro?es Vorbild war allerdings Leibniz, der gut zu Harnacks Leidenschaft für Mathematik und seinen Interesse an den Naturwissenschaften passt. Nach seiner Berufung hat er Vieles für seine Universit?t erreicht, indem er 金贝棋牌e knüpfte und Kooperationen initiierte.

Was machte den Netzwerker und Kommunikator Harnack aus?

Markschies: Das beste Beispiel ist seine Rolle als Mitbegründer der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft – heute Max-Planck-Gesellschaft – im Jahr 1911, der er bis zu seinem Tod als Pr?sident vorstand. Ausl?ser für die Gründungsidee war nicht zuletzt, naturwissenschaftliche Forschung auf exzellentem Niveau zu erm?glichen. Auch als 1905 mit dem Neubau der K?niglichen Bibliothek begonnen wurde – der heutigen Staatsbibliothek Unter den Linden –, war Harnack wieder einer der treibenden Kr?fte. Als Generaldirektor brachte er sich stark in den Bibliotheksalltag ein. Auch dies ist ein Beispiel für sein Interesse, Wissenschaft als ein zusammenh?ngendes Ganzes zu begreifen. Seine guten 金贝棋牌e zum kaiserlichen Hof, aber auch in die Wirtschaft wusste Harnack politisch wie finanziell für wissenschaftliche Belange zu nutzen.

Dann kamen der Erste Weltkrieg, die Republik, politische Unruhen und die wirtschaftliche Krise. Hat sein Engagement sich auch dann noch bew?hrt?

Markschies: Harnack war eher ein Vernunft-Republikaner. Dass aber ein Schüler von ihm wie Dietrich Bonhoeffer sp?ter in den Widerstand ging, war kein Zufall, denn Freiheit war für ihn ein elementar wichtiger Wert. Auch in der ?konomischen Krise nach dem Weltkrieg nutzte Harnack den guten Draht zur Wirtschaft für die Wissenschaft. Er engagierte sich stark in der sp?teren Deutschen Forschungsgemeinschaft und war Ende 1920 Mitbegründer des heute noch bestehenden Stifterverbands der Deutschen Wissenschaft. Dessen Vorstand und Verwaltungsrat bestanden im Wesentlichen aus Industriellen und Bankdirektoren. Die Organisation beschaffte Gelder vornehmlich aus der Wirtschaft für die Unterstützung von Forschung und Lehre. Harnack war ein Vordenker der heutigen Wissenschaftslandschaft, in der 金贝棋牌n mit anderen Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft vernetzt sind, aber dabei alle Beteiligten auf die Freiheit der Wissenschaft achten.

Interview: Lars Klaa?en

?