Frühmittelalterliches ?gyptisch Blau im Laserlicht

Foto und Raman-Mikroskopie-Bild einer ?gyptisch Blauen Scholle der
Malschicht des?Fragmentes aus der Kirche St. Peter ob Gratsch in Südtirol
Bild: Dariz/Schmid
Auf einem einfarbig blauen Wandmalereifragment, welches in den 1970er Jahren in der Kirche St. Peter ob Gratsch (Südtirol, Norditalien) ausgegraben wurde, wiesen die Kunsttechnologin Dr. Petra Dariz und der analytische Chemiker Dr. Thomas Schmid (School of Analytical Sciences Adlershof SALSA der Humboldt-Universit?t zu Berlin und Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung BAM) ?gyptisch Blau nach. Das Bruchstück aus dem Fundarchiv des Amtes für Arch?ologie der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol diente als Vergleichsmaterial für Altersbestimmungen im Rahmen eines von den Südtiroler Landesmuseen mitfinanzierten Forschungsprojektes über frühmittelalterliche Stuckfragmente der Kirche. Für die Projektarbeiten nutzten die beiden aus Südtirol stammenden Forschenden die Laboratorien von SALSA und BAM in Berlin. Die Resultate wurden im Nature-Research-Journal Scientific Reports ver?ffentlicht.
?gyptisch Blau wird durch chemische Umwandlung beim Erhitzen einer fein vermengten Rohmaterialmischung aus Quarzsand, Kalkstein, Kupfererz und einem Flussmittel (Soda oder Pflanzenasche) auf etwa 950°C hergestellt. R?mische Quellen berichten um den Beginn unserer Zeitrechnung vom Transfer der in ?gypten entwickelten Technologie nach Pozzuoli durch einen gewissen Vestorius. Arch?ologische Grabungen belegen tats?chlich Produktionsst?tten in den n?rdlichen Phlegr?ischen Feldern bei Neapel (Kampanien, Süditalien) und scheinen auf eine Monopolstellung in Erzeugung und Handel von Pigmentkügelchen hinzudeuten. ?gyptisch Blau ist das fast ausschlie?lich verwendete Blaupigment der r?mischen Antike; seine maltechnische Spur verliert sich im Lauf des Mittelalters.
Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen
Seit der Wiederentdeckung von ?gyptisch Blau vor etwa 200 Jahren im Zusammenhang mit Napoleons ?gyptischer Expedition sowie den Ausgrabungen in Pompeji und Herculaneum übt das Pigment eine ungebrochene Faszination aus, welche eine Vielzahl von Forschungsarbeiten angesto?en hat. Erst im letzten Jahrzehnt wurden petrographische Untersuchungen einbezogen, um m?gliche Produktionsst?tten zu charakterisieren und eventuell voneinander zu unterscheiden. Die Resultate waren bisher auf Bestandteile mit Gehalten von über einem Prozent begrenzt, da sich nur vereinzelt vorkommende Minerale bei der herk?mmlichen Analyse pulverisierter Proben wie die sprichw?rtliche Nadel im Heuhaufen verhalten.?
Für diffizile Untersuchungen von historischen M?rtelmaterialien setzte das Team bereits erfolgreich die Ramanmikroskopie zur Rekonstruktion von Prozessbedingungen und der Herkunft der Rohmaterialien ein. Aufgrund dieser Erfahrungen erschien die Anwendung dieser Technik auch für das Auffinden m?glicher Spurenbestandteile in ?gyptisch Blau vielversprechend. Dabei wurde die Malschicht auf dem Bruchstück fl?chendeckend mit einem auf etwa ein Tausendstel Millimeter gebündelten Laserstrahl abgetastet und an jedem Messpunkt eine zerst?rungsfreie Mineralienbestimmung durchgeführt, sodass selbst kleinste Informationstr?ger gefunden werden konnten.
Die individuelle ?Biographie" eines Farbmittels
Das Ergebnis übertraf alle Erwartungen. In 166.477 Einzelmessungen wurden 28 verschiedene Minerale mit Gehalten vom Prozentbereich bis zu 0,1 Promille erfasst. Durch Einbeziehen von Wissen aus benachbarten Disziplinen gelang es, die in den Spurenbestandteilen konservierten 金贝棋牌 über Art und Herkunft der Rohmaterialien, Herstellung und Anwendung des Pigments bis hin zur Alterung der Malschicht auszulesen und die individuelle ?Biographie" des ?gyptisch Blau aus St. Peter zu rekonstruieren. Dieser facettenreiche Einblick stellt einen Paradigmenwechsel in der Forschungsgeschichte dar, jedoch nicht ohne dabei neue Forschungsfragen aufzuwerfen.?
Besonders hervorzuheben sind mit vulkanischer Aktivit?t verbundene Minerale, die aufgrund der Zusammensetzung von Strandsanden am Golf von Gaeta auf eine Produktion des Pigmentes in den n?rdlichen Phlegr?ischen Feldern hindeuten. Darüber hinaus finden sich Hinweise auf ein sulfidisches Kupfererz (anstelle von h?ufig genanntem metallischem Kupfer oder Bronze) und Pflanzenasche als Flussmittel in der Rohstoffmischung. Analoge ramanmikroskopische Untersuchungen von ?gyptisch Blauen Wandmalereipartien und Pigmentkügelchen aus der r?mischen Antike und dem Mittelalter k?nnten fundierte Belege für das Weiterbestehen des vermuteten Fabrikationsmonopols in Pozzuoli über den Untergang Westroms hinaus liefern.
Originalpublikation
P. Dariz, T. Schmid, Trace compounds in Early Medieval Egyptian blue carry information on provenance, manufacture, application, and ageing. Scientific Reports 2021, 11, 11296.
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Thomas Schmid
School of Analytical Sciences Adlershof?(SALSA)
Head?Application Lab