Humboldt-Universit?t zu Berlin

Nachruf

Prof. Bernd Bank (01.05.1941 - 05.01.2024)



Alternativtext

Prof. Dr. Bernd Bank,?Foto: privat

Am 5. Januar 2024 ist der Mathematiker Bernd Bank im Alter von 83 Jahren verstorben. Er geh?rte 1989 zu derjenigen Generation von Hochschullehrern mittleren Alters, die für die Neugestaltung und Demokratisierung der Humboldt-Universit?t ma?gebliche Verantwortung übernahm. Als wir ihn kennen lernten, waren wir Studierende. Das Land, in dem wir aufgewachsen waren, hatte gerade aufgeh?rt zu existieren. Alles in unserem Alltag war Ver?nderungen unterworfen. Und nun studierten wir an einer Universit?t und in Studieng?ngen, deren – und damit unsere – Zukunft gef?hrdet war. Zu diesem Zeitpunkt war die Universit?t Kreuzungspunkt der Biographien von Menschen verschiedensten Alters und unterschiedlichster F?cher, die sich zusammenfanden; nicht um zu warten, was auf sie zuk?me, sondern um an der Zukunft der Universit?t mitzuarbeiten, ihre Geschicke selbst in die Hand zu nehmen – so gut es ging. Bei dieser Mitarbeit z?hlte, und das machte das Besondere dieser Situation aus, nicht die Zugeh?rigkeit zu einer Statusgruppe, sondern das gute Argument.

Unsere früheste gemeinsame Erinnerung an Bernd Bank bezieht sich auf den Abend des 13. Dezember 1990. Wir trafen uns auf der Bühne des Audimax nach der Wahl aller Mitglieder der Zentralen Personalstrukturkommission (ZPSK) durch das Konzil der Universit?t. Kurz zuvor waren ?Thesen des Studentenrats zur personellen Erneuerung der Universit?t“ in einer für die 金贝棋牌 ?u?erst heiklen Situation verabschiedet worden: Mit dem 3. Oktober 1990 war die Universit?t aus der zentralstaatlichen Steuerung der DDR entlassen worden und im Juli 1991 trat das Erg?nzungsgesetz zum Berliner Hochschulgesetz in Kraft, in dessen Folge Struktur- und Berufungskommissionen in allen Fachbereichen eingerichtet wurden. Seit dem Herbst 1990 hatte es Gerüchte um eine sogenannte Abwicklung mehrerer Fachbereiche gegeben – und es kursierte auch der Vorschlag einer Schlie?ung der gesamten Universit?t für einen kurzen Moment vor einem vollst?ndigen Neustart. Beide Szenarien w?ren mit existentiellen Auswirkungen auf die Angeh?rigen der Universit?t verbunden gewesen und h?tten den bis dahin gegangenen Weg einer Demokratisierung von innen heraus radikal ver?ndert, so die damalige Sorge.

Der sich Ende 1990 vollziehende Prozess der inneren Demokratisierung der Universit?t brachte verschiedene Gremien hervor, die der Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit gewidmet waren, wie beispielsweise die Ehrenkommission und die Rehabilitierungskommission. In der Zentralen Personalstrukturkommission (ZPSK), der wir als Vertreter der Studierenden seit dem 13.12.90 angeh?rten, wurden Vergangenheit und Zukunft der Universit?t gleicherma?en verhandelt: In der ZPSK entwickelte Bernd Bank mit den Mitgliedern dieses Gremiums Verfahren, nach denen die Angeh?rigen aller Fachbereiche in Bezug auf ihre fachliche und pers?nliche Eignung im Verlauf des Jahres 1991 evaluiert wurden. Die hohe Beteiligung an diesen freiwilligen Verfahren in nahezu allen Fachbereichen der Universit?t bezeugte die Akzeptanz der inneren Erneuerung durch die Mitglieder der Universit?t selbst – auch, wenn das Ergebnis dieser Evaluation bedeuten konnte, die Universit?t verlassen zu müssen. Die ZPSK erreichten zahlreiche Widersprüche von Hochschulangeh?rigen, die mit dem Ergebnis ihrer Evaluation nicht einverstanden waren. In den Beratungen dieser Widersprüche stand alles zur Diskussion und war durch die ZPSK einzubeziehen, was den gesamtgesellschaftlichen Wandel in Ostdeutschland ausmachte: In der DDR staatlich gesetzte Limitierungen für Berufsausübung und Lebensführung ebenso wie die pers?nliche und politische Redlichkeit. Au?erdem erfolgte in der ZPSK die Erarbeitung einer Neugliederung der Universit?t in Fakult?ten sowie einer künftigen Soll-Struktur für die einzelnen Fachbereiche, ihrer jeweiligen Gr??e und Schwerpunkte.

All die hier beschriebenen Prozesse waren in kürzester Zeit, unter den Bedingungen gro?er Unsicherheit und im Kontext gesamtgesellschaftlicher Umbrüche zu bew?ltigen. Für diese komplexen Prozesse gab es keine schon vorhandenen Routinen in der akademischen Selbstverwaltung, in der Universit?tsverwaltung oder der Hochschulpolitik, sondern sie alle mussten im laufenden Prozess erst sukzessive entwickelt werden. Entgegen der Position des damaligen Rektors Heinrich Fink (Erneuerung mit den vorhandenen Menschen) pl?dierte Bernd Bank nicht nur in der ZPSK, sondern auch in weiteren Gremien der Universit?t nachdrücklich für eine Erneuerung der Universit?t auch mit den vorhandenen Menschen – und damit für ihre ?ffnung für externe Expertise. So war es selbstverst?ndlich, dass die ZPSK als wichtigster Akteur der hochschuleigenen Erneuerungs- und Demokratisierungsprozesse kooperativ geleitet wurde – von Bernd Bank als Vertreter der Humboldt-Universit?t sowie vom damaligen Pr?sidenten der Universit?t Oldenburg als externem Kommissionsmitglied.

Die Ergebnisse der inneren Erneuerung und Demokratisierung der Humboldt-Universit?t in den Jahren von 1989 bis 1991 waren enthalten im weiteren Weg der 金贝棋牌 in die Wissenschaftslandschaft der Bundesrepublik. Die im Erg?nzungsgesetz zum Berliner Hochschulgesetz 1991 an allen Fachbereichen eingerichteten Struktur- und Berufungskommissionen, die bis 1994 über 400 Berufungsverfahren durchführten, bezogen in ihre Arbeit die Ergebnisse der Personalstrukturkommissionen der jeweiligen F?cher ein. Und die Idee der Erneuerung auch mit den vorhandenen Menschen führte zum Abschied vom Rektoratsmodell und dazu, dass sich auf Positionen für ein neues Pr?sidium nun auch Kandidat*innen bewerben konnten, die nicht Angeh?rige der Humboldt-Universit?t waren. Mit Marlis Dürkop wurde die Humboldt-Universit?t ab 1992 zum ersten Mal seit ihrer Gründung 1810 von einer Pr?sidentin geleitet. Erster Vizepr?sident wurde aufgrund seiner herausragenden Expertise zu Strukturen und Personal an der HU und dem gewachsenen gro?en Vertrauen, das ihm viele Angeh?rige der Universit?t als ZPSK-Vorsitzenden aus allen Bereichen entgegenbrachten – Bernd Bank. Seine bewegte Amtszeit endete 1995; und in diese Amtszeit fielen die Beendigung der Arbeit der Struktur-Berufungskommissionen, eine tiefgreifende personelle Ver?nderung in allen F?chern, die Neuwahl der akademischen Gremien – und es endete auch die Phase der Transformation der Humboldt-Universit?t. Sie durch diese Jahre mit ungeheurem Einsatz, mit so viel Mut und Menschlichkeit gelenkt und geleitet zu haben, das ist ein herausragendes Verdienst von Bernd Bank, das angesichts der damaligen politischen und gesellschaftlichen Aufgabe, vor der unser Land wie die Universit?t standen, nicht hoch genug bemessen kann. Hierfür gebührt ihn ein bleibender Platz in der Geschichte seiner Alma Mater.

Bernd Bank kehrte an das Institut für Mathematik als Professor zurück, schrieb und ver?ffentlichte Fachtexte mit Kollegen aus verschiedenen L?ndern und Kontinenten, reiste zu ihnen und blieb über Jahrzehnte befreundet mit vielen, die ihm in der chaotischen, widersprüchlichen und wilden Zeit der inneren Erneuerung und Demokratisierung der Universit?t begegnet waren. Mit Bernd Bank hat die Humboldt-Universit?t nun einen der letzten Angeh?rigen derjenigen Generation verloren, die diese Zeit nicht nur gekannt, sondern sie gepr?gt hat, indem sie individuelle und fachliche Interessen in der produktivsten Phase ihres Lebens zum Wohl ihrer Universit?t zurückstellte. In der rasenden Geschwindigkeit des gesellschaftlichen und sozialen Wandels heute sollte das institutionelle Ged?chtnis der Humboldt-Universit?t diese Erfahrung gegenw?rtig halten: In immer wieder neuen und jeweils anders komplexen Situationen von Partikularinteressen absehen und universalistisch das Verbindende im Blick behalten zu k?nnen zum Wohle aller – bleibt eine Herausforderung für jede weitere Generation.

Mit Bernd Bank verlieren wir einen gro?artigen Wegbegleiter, Freund und Hochschullehrer im besten Sinne, der uns fernab seiner eigentlichen fachlichen Profession wie kaum jemand sonst auf unser berufliches Leben vorbereitet hat. Sein Blick auf die Welt, seine Lebensweisheiten, ob mit gro?em Ernst, mit Ironie oder manchmal auch Spott vorgetragen, immer aber mit Einsatz und Herz gelebt, er pr?gt uns bis heute und ihn tragen wir weiter. Wir sind traurig und werden ihn sehr vermissen. Adios, lieber Bernd…

Prof. Dr. Ada Sasse und Dr. Sven Vollrath