Humboldt-Universit?t zu Berlin

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Fremdsprachenunterricht in Zentralasien: Zwischen Anspruch, Realit?t und Schein

Kim Bachmann hat Zentralasien-Studien / Central Asian Studies an der Humboldt-Universit?t zu Berlin studiert. Für ihre Masterarbeit wurde sie mit dem Humboldt-Preis 2017 ausgezeichnet.

Zusammenfassung

In verschiedenen L?ndern des postsowjetischen Zentralasienes besteht eine der Legitimationsstrategien der Pr?sidenten in der Selbstinszenierung als Reformer des Bildungswesens. Die von ihnen angesto?enen Ver?nderungen werden zwar in staatlichen Medien ausführlich gelobt, in der Realit?t jedoch nur schlecht oder gar nicht umgesetzt. Eklatante Diskrepanzen zwischen Realit?t und Proklamation finden sich auch in verschiedenen Bereichen des Unterrichtsalltags an Schulen und Universit?ten. Die w?hrend meiner einj?hrigen T?tigkeit in der internationalen Kulturzusammenarbeit an zentralasiatischen 金贝棋牌n gemachte Beobachtung, dass Simulation in gewissen Bereichen nicht nur normal ist, sondern von diversen Stellen eingefordert wird, gab den Ansto?, im Rahmen meiner Masterarbeit Simulationsmomente im Fremdsprachenunterricht durch die Linse der Simulationstheorie von Jean Baudrillard zu betrachten.

Im Zeitalter der Simulation, so Baudrillard, haben sich Zeichen und Bilder verselbst?ndigt; sie haben keine Entsprechung mehr in der Realit?t, sondern verweisen nur mehr auf einander. Mitunter gehen die Simulakren der Realit?t sogar voraus, sodass Realit?t und Simulation schlie?lich kaum mehr zu unterscheiden sind.

Mit Unterrichtsdokumentation, Notenvergabe, Prüfungen und Lehrerfortbildungen greife ich vier Zeichen der angeblich hervorragend funktionierenden Bildungssysteme auf, die sich bei genauer Betrachtung als blo?e Simulakren herausstellen. Gute Noten und realer Lernerfolg sind ebenso von einander entkoppelt wie der tats?chliche Inhalt von Unterrichtsstunden von ihrer Dokumentation. Mit dem Inszenieren formal korrekter Verfahren wird Inhaltsleere kaschiert. Es entsteht eine Kluft zwischen Schein und Realit?t, die mit jeder Note, die den Lernenden gute Erfolge bescheinigt, mit jeder Fortbildung, die das Unterrichtsniveau angeblich den internationalen Standards n?her bringt, w?chst. Dabei folgt der Simulation teils handfeste Realit?t, etwa in Form von Bezahlung von dokumentierten, aber nie gehaltenen Unterrichtsstunden.

Die herrschenden Strukturen erschweren Lehren und Lernen, k?nnen aber kaum durchbrochen werden. Die meisten Lehrenden beugen sich dem Druck von KollegInnen, Verwaltung und Politik. Durch ihr Handeln machen sie sich zu Komplizen des Systems, der Druck mitzuspielen wird kontinuierlich verst?rkt. Analog zu Baudrillards Simulakrum der dritten Ordnung ist ein selbstbezügliches, sich selbst verst?rkendes System mit eigenen Codes und Regeln entstanden.

Der politischen Elite müssen die damit verbundenen Probleme bewusst sein. Bislang besteht ihre Strategie jedoch darin, Simulation weiter zu f?rdern und einzufordern. Die Erkenntnisse aus der Analyse des Fremdsprachenunterrichts dürften sich bezüglich Simulationszwang und der daraus folgenden Stagnation auf andere gesellschaftliche Bereiche übertragen lassen. Die Arbeit ist somit an der Schnittstelle zwischen Ethnologie, Bildungssoziologie und Transformationsforschung zu verorten.