Echte Dicksch?del? Neue Einblicke in die Evolutionsgeschichte durch die Knochenstruktur der Reptilien
Für seine Masterarbeit "Konvergente Evolution von mikroanatomischen und morphologischen Merkmalen im Sch?deldach grabender Echsen und Schlangen (Squamata)” am Institut für Biologie wurde Roy Ebel mit dem Humboldt-Preis 2021 ausgezeichnet.
Woher entstammt die gro?e Diversit?t der Landwirbeltiere? Diese uralte Kernfrage der Evolutionsforschung ist heute in Zeiten anthropogenen Wandels und Artensterbens relevanter denn je. Bei der Entstehung der unterschiedlichen Gestalten im Tierreich spielen Anpassungen an verschiedene Umweltbedingungen und Lebensweisen eine zentrale Rolle. Es fehlt jedoch unmittelbares Zeugnis davon, wie evolutionsgeschichtliche Schlüsselereignisse vor Jahrmillionen das Schicksal ganzer Abstammungslinien bestimmten. Auch 160 Jahre nach Darwins Evolutionstheorie ist daher unser Verst?ndnis dieser Mechanismen immer noch lückenhaft.
Um die Wechselbeziehung zwischen Lebensweise und Gestalt in der Evolution der Wirbeltiere besser zu verstehen, widmete sich meine Arbeit der Untersuchung des Sch?deldaches von Echsen und Schlangen. Ziel war es nachvollziehen, inwieweit die Knochenstruktur bestimmte Lebensweisen widerspiegelt. Obwohl viele dieser Schuppenkriechtiere ihren Sch?del als Grabwerkzeug benutzen, wurde diese Frage bislang nie systematisch beleuchtet.
Ich rekonstruierte zun?chst durch aufw?ndiger Simulationen die Entstehung einer solchen grabenden Lebensweise über eine Zeitspanne von 240 Millionen Jahren. Anschlie?end verglich ich mittels 3D-Visualisierung mit hochaufl?sendem Mikro-CT die Struktur des Sch?deldaches zwischen Vertretern verschiedener Lebensweisen.

Abb: Beispiele für Sch?del von Schuppen-
kriechtieren mit unterschiedlich
ausgepr?gter grabender Lebensweise im
Saggitalschnitt von medial.
Von vorn nach hinten: nicht-grabende,
gelegentlich grabende und h?ufig grabende
Vertreter, sowie fossile Doppelschleichen.
Man?beachte die unterschiedliche
Kompaktheit und Dicke im Sch?deldach.
Durch ein neues, effizientes Verfahren zur Datenauswertung erzielte ich einen Stichprobenumfang, der Rückschlüsse auf den gesamten Verwandtschaftskreis mit über 11.000 Arten zul?sst. Für grabende Echsen und Schlangen konnte ich rekonstruieren, dass diese in v?llig verschiedenen Abstammungslinien mehrfach unabh?ngig voneinander ein besonders dichtes und kompaktes Sch?deldach sowie bestimmte typische Proportionen der Sch?delknochen entwickelt haben. ?
In meiner Studie deckte ich hiermit einen bislang unbekannten Fall konvergenter Evolution auf. Hierbei entstehen sehr ?hnliche K?rperstrukturen aus sehr unterschiedlichen Vorl?ufern, wie zum Beispiel die Flügel der V?gel, ?Flederm?use und Insekten. Einerseits k?nnen wir nun anhand der Sch?delstruktur in die Vorzeit blicken und die Lebensweise von Reptilien nachvollziehen, die vor vielen Millionen Jahren ausgestorben sind. Andererseits erscheint? die Evolutionsgeschichte bestimmter Abstammungslinien damit in ganz neuem Licht. So leistet meine Studie einen Beitrag zum Verst?ndnis des seit Jahrzehnten kontrovers diskutierten Ursprungs der Schlangen. Anpassungen an? eine grabende Lebensweise spielten aber auch eine Schlüsselrolle in der Evolutionsgeschichte vieler anderer Landwirbeltiere. Aktuelle Studien legen sogar nahe, dass unsere eigenen Vorfahren, also die Stammlinie der S?ugetiere,? das gr??te Massenaussterben der Erdgeschichte vor etwa 250 Millionen Jahren nicht überstanden h?tten, h?tten Sie nicht eine grabende Lebensweise evolviert. Solche historische Wandel in der Lebensweise nachvollziehen zu?k?nnen ist daher von unsch?tzbarem Wert.?
Publikation
Publikation des wissenschaftlichen Artikels bei BMC Biology (Springer Nature group):
Ebel, R., Müller, J., Ramm, T., Hipsley, C., & Amson, E. (2019). First evidence of convergent lifestyle signal in reptile skull roof microanatomy. BMC Biology. DOI: 10.1186/s12915-020-00908-y.?
Online-Artikel bei der Nature Ecology and Evolution Community
Online Artikel beim Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO)