Humboldt-Universit?t zu Berlin

Vom umstrittenen zum geteilten Erbe?

von Prof. Dr. Ingrid Scheurmann (TU Dortmund / Deutsche Stiftung Denkmalschutz Berlin)

Die Sozial- und Geisteswissenschaften haben sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend selbstkritisch mit dem Methodenrepertoire auseinandergesetzt, das einer global vernetzten Welt angemessen ist beziehungsweise sein kann. Mit Transkulturalit?t (Wolfgang Welsch), Kulturtransferforschung (Michel Espagne), Entangled history (Sebastian Conrad) oder Histoire Croisée (Michael Werner, Bénédicte Zimmermann) sind Konzepte beschrieben, die die wissenschaftliche Betrachtung der Dinge aus angestammten, vorwiegend nationalen Perspektiven zu l?sen bestrebt sind und stattdessen auf kulturelle Verflechtungen, Kontextualisierung und Multiperspektivit?t setzen. Ziel ist es unter anderem, die üblichen singul?ren Betrachtungspositionen abzul?sen, wechselseitige Einflussnahmen und Rezeptionsmechanismen zu untersuchen und der Gefahr einseitiger Ergebnisse zu entgehen. ?Gekreuzt“ bzw. getauscht werden dabei auch die Positionen, aus denen Geschichte betrachtet wird, um auf diese Weise eigene Konzepte, Kategorien und Leitbegriffe kritisch zu reflektieren.

Nun sind solche an globalen Prozessen ausgerichtete Methoden nicht unbedingt pr?destiniert, einen lokalen Denkmalstreit zu kl?ren, sie zeigen aber Perspektiven auf, die durchaus übertragbar sind und helfen k?nnen, über Konstruktionen des Eigenen und Identit?tsstiftenden hinaus zu Sichtweisen vorzudringen, die den strittigen Objekten nützen und m?glicherweise auch die Akteure befrieden. Aktuelle Erbekonzepte unterstreichen etwa das Recht jedes Einzelnen auf Partizipation am Kulturerbe (Faro Convention 2005) und knüpfen damit an die seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert übliche Vorstellung an, dass das Kulturerbe einschlie?lich bedeutender Denkmale den Besitz der gesamten Menschheit darstellt. Das Kulturerbejahr 2018 übersetzt diese ?bereinkunft in das Motto ?Sharing heritage“. Das beinhaltet keine Nabelschau und auch keine Teilung des Eigenen, sondern die Teilhabe an der Vielfalt der Denkmale. Perspektivenwechsel, Dialoge, gemeinsame Aktivit?ten und Offenheit integrieren auch umstrittenes Erbe in dieses Konzept.

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