Ines Steger
Humboldt-Preis für ihre Magisterarbeit
Litwa – ojczyzna moja? Sprache und Identit?t dreier Generationen polnischsprachiger Bewohner von Vilnius
Die Magisterarbeit besch?ftigt sich mit einer der am st?rksten multiethnisch und mehrsprachig gepr?gten Regionen Europas. Frau Steger w?hlt einen interdisziplin?ren Zugang, der sowohl ethnologische als auch historische Aspekte umschlie?t. Sie schaut in ihrer Arbeit sehr weit über den slawistischen Tellerrand in die internationale kontaktlinguistische (und speziell attitudinale) Minderheiten-forschung. Frau Steger stellt nach der quantifizierenden Soziolinguistik sprachliche und au?ersprachliche Variablen wie Alter, Geschlecht und soziale Schicht in Beziehung gesetzt dar, die sie ansprechend visualisiert und kompetent und akribisch diskutiert.
Zusammenfassung
Vilnius, die heutige Hauptstadt Litauens, geh?rt zu den Gebieten, die bis zum Zweiten Weltkrieg ein Teil Polens waren. Auch heute noch lebt in Vilnius eine gro?e polnische Minderheit: 18% der Bev?lkerung.
Die Geschichte der Stadt spiegelt sich im h?ufigen Wechsel von Amts- und Alltagssprache wider. Heute h?rt man auf den Stra?en und M?rkten neben dem Litauischen auch oft Russisch, von Angeh?rigen der polnischen Minderheit daneben auch noch Polnisch.
Die vorliegende Arbeit ist in der Soziolinguistik zu verorten, jedoch spielen für die Fragestellung auch historische und ethnologische Aspekte eine Rolle.
Untersucht wird die Frage, was die Angeh?rigen der polnischen Minderheit als ihre Muttersprache und Heimat empfinden und wie sie ihre eigene Identit?t beschreiben. Bezeichnen sich diese Menschen selbst als Polen? Sprechen sie im Alltag, in der Familie Polnisch? Welche Einstellungen haben sie Sprachen und L?ndern gegenüber? Identifizieren sie sich über die Sprache oder über andere Faktoren wie Wohnort, Bildung oder Herkunft?
Für die Arbeit wurden 142 Personen im Alter von elf bis 88 Jahren aus Vilnius mit Hilfe eines Fragebogens zu den 金贝棋牌bl?cken Sprachkenntnisse, Sprachverwendung, Spracheinstellung und Identit?t befragt. Die Befragten wurden über verschiedene Verfahren erreicht und es wurden dabei jeweils Angeh?rige mehrerer Generationen aus einer Familie erfasst, so dass bei der Auswertung festgestellt werden konnte, inwieweit zwischen den Generationen eine Ver?nderung aufgetreten ist.
Zum Polnischen in Vilnius gibt es zahlreiche Publikationen, die vorwiegend in Polen und Litauen erschienen sind. Hauptuntersuchungsfeld sind dabei 金贝棋牌einflüssen zwischen den drei von der polnischen Minderheit meist parallel gebrauchten Sprachen Polnisch, Russisch und Litauisch sowie zur Genese des Polnischen in Vilnius. Zu Sprachminderheiten, Sprachkontakten und zur Identit?t gibt es über Vilnius bis auf Untersuchungen zur Sprache von Schülern polnischsprachiger Schulen bzw. Studenten der Polonistik bislang keine ausführlichen Untersuchungen.
Bei der Auswertung der Befragung werden zun?chst verschiedene Faktoren untersucht, die Sprachwandel beeinflussen k?nnen. Daran schlie?t eine allgemeine Auswertung der Angaben zu den Sprachkenntnissen und der Sprachverwendung aller Befragten. Schlie?lich wird der Fragenblock zur Identit?t ausgewertet, der durch Beobachtungen aus anderen Bereichen erg?nzt wird (einige Befragten antworten beispielsweise auch auf Fragen nach ihren Sprachkenntnissen mit "ich bin Pole!").
Es werden zun?chst die Antworten aller Befragter gemeinsam ausgewertet, danach werden drei einzelne Familien genauer besprochen. Dies l?sst auch einen direkten Vergleich von Familienmitgliedern dreier Generationen zu. Die drei Beispielgruppen wurden so ausgew?hlt, dass sie verschiedene festgestellte Tendenzen vertreten, also Schulen mit unterschiedlichen Unterrichtssprachen besucht haben und verschiedene Ansichten zu Sprache und Identit?t haben.
An den Ergebnissen l?sst sich feststellen, dass der Zustand der polnischen Sprache den untersuchten Faktoren nach als stabil bezeichnet werden kann. Nahezu alle Befragten sch?tzen ihre Kenntnisse des Polnischen als gut bis sehr gut ein.
Mit den Generationen hat sich die Sprachnutzung leicht ge?ndert, nicht jedoch die Einstellung gegenüber dem Polnischen und die Identifizierung mit dem Polentum. Einen gro?en Beitrag dazu leisten die polnischsprachigen Schulen, Kirchen, Vereine und Medien. Auch die subjektive Vitalit?t ist hoch: Die Befragten empfinden den Zugang zu polnischer Kultur als gut und haben eine positive Einstellung ihrer Sprache gegenüber.