?Es fühlte sich richtig an“
Nach dem Ende seiner Sportlerkarriere ging Basketballer Henning Harnisch spontan an die Uni. Er studierte Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universit?t
Ausschnitte aus dem Video-Interview
Das Interview in voller L?nge
Henning Harnisch, Jahrgang 1968, ist Sportdirektor des Profi-Basketballteams Alba Berlin. Er z?hlte von 1985 bis 1998 zu den besten deutschen Basketballern mit 171 L?nderspielen. Neben neun deutschen Meisterschaften mit Bayer 04 Leverkusen und Alba Berlin war sein gr??ter sportlicher Erfolg der Gewinn der Europameisterschaft 1993. Wegen seiner spektakul?ren Spielweise wurde er auch Flying Henning genannt. Harnisch stammt aus Marburg. Nach dem Profisport studierte er von 1998 bis 2004 Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universit?t und Filmwissenschaft an der Freien Universit?t.
Foto: Heike Zappe
Henning Harnisch, welches Bild von der Humboldt-Universit?t ist Ihnen in Erinnerung?
Es ist dieser Gang zum Institut: Mit dem Fahrrad zu den Hackeschen H?fe, Richtung Sophienstra?e, durch die Touristenstr?me, durch dieses leicht Künstliche. Dann in diese ruhige Stra?e hinein, Richtung Institut. Es ist eher Alltag, der aber auch sehr bestimmend war.
Gr??e wird in Ihrem Sport ja ganz anders definiert…
Im Alltag sind wir zwar alle ziemlich gro?, aber ich mit meinen 2,02 Metern bin bei uns im Basketball nur Schnitt. ?berragen tut man da niemanden. Der gr??te Spieler bei uns war 2,21 Meter. Man ist da in einer Parallelwelt, wo man leicht ein Zuhause findet. Gerade für gro?e Kinder ist Basketball ein prima Sport. Einfach, weil man einen guten Zugang bekommt zu ?berproportionen. Die Welt ist auf uns letztendlich nicht wirklich eingestellt. Das f?ngt bei Schuhen an und h?rt bei Pullis auf. Basketball ist aber generell ein sch?ner Sport, nicht nur für Gro?e. Hier kommen so viele Sachen zusammen: das K?rperliche, das Spielerische - es ist ein sehr kreativer Sport.
Haben Sie in Ihrer Zeit als Profisportler Eigenschaften entwickelt, die Sie gepr?gt haben, sowohl im Positiven als auch im Negativen?
Ich habe in diesem Mannschaftssport ein Medium gefunden: Das Spiel kennen lernen, das Spiel drauf haben, sich wohl fühlen innerhalb dieser 28 mal 15 Meter. Sich darin wohl zu fühlen, bringt einem die Erfahrungen und die Ruhe, auch andere Sachen anzugehen.
Man neigt heute dazu, Sekund?rbegriffe wie Leistung, Wettkampf, Erfolg haben, wichtig zu nehmen. Kinder sollten deswegen Sport machen, quasi als eine Art Dauerpraktikum für die harte Wirtschaftswelt. Wenn man über Sport redet, redet man über Profi-Sport, oder dann Medaillen. Aber welche Qualit?t im Spiel liegt und welche Freude man haben kann, bei allen Spiel-Sportarten, das kommt oftmals zu kurz.
Sie haben sich 13 Jahre lang diesem Medium hingegeben. Wie kommt man davon wieder los?
Bei mir war es immer ein Spiel. Ich habe mich dem mit allem, was ich hatte, ausgeliefert. Profisport bietet einem ja auch die M?glichkeit, dass man ein Stück weit seine Kindheit verl?ngern kann: Spa? haben, Spielen, Rumschreien, auch k?rperlich werden. Aber wenn man das jeden Tag macht, Jahr für Jahr, dann lebt sich das irgendwann aus. Die Lust, die Leidenschaft war befriedigt und ich hatte das nie als Beruf angesehen.
Wann haben Sie gemerkt, dass es vorbei war?
Das war ein Prozess, das hat die letzten zwei, drei Jahre gedauert. Ich habe gemerkt: Eigentlich m?chtest du anders leben. 1998 habe ich aufgeh?rt.
?
Und dann?
Zun?chst wollte ich vor allem mal studieren. Der Profisport hat ja noch einen riesengro?en Vorteil: Der Tag, das Leben, ist sehr gegliedert, aber man hat sehr viel Freiraum nebenher, um zu lesen. Das habe ich exzessiv betrieben in meiner ganzen Sportkarriere.
Und was haben Sie so gelesen?
Sehr viel zeitgen?ssische Literatur, Amerikaner, Theorie ausgehend von der Poptheorie, franz?sische Philosophen und sehr viel "cultural studies"-Sachen, kreuz und quer. Alles mit gro?er Lust und Aufregung.
Und daraus entwickelte sich dann die Idee, wenn ich dort eine neue Leidenschaft erkenne, dann m?chte ich das gerne zu meinem Beruf machen?
1998 lief mein Vertrag bei Alba aus, es gab Angebote aus dem Ausland, das hat mich auch gereizt. Dann hatte ich ein langes Gespr?ch mit dem Manager von Alba, Marco Baldi, ob ich dort weiterspiele. W?hrend des Gespr?ches kam es dazu, dass mir klar wurde: Eigentlich m?chte ich aufh?ren. Und von da an "schwebte" ich. Es fühlte sich richtig an.
Und "Flying Henning" "schwebte" dann direkt in die Uni?
Der Nachteil meiner Entscheidung war, dass sie so spontan kam. Es war Sommer, und ich musste ganz schnell sein mit dem Einschreiben. Für mich war die Richtung klar, bei den Kulturwissenschaften hatte ich vorher als "Gasth?rer" 金贝棋牌 besucht. Film war für mich auch ein Thema. Und so schaute ich, ob man das zusammen studieren kann. Zum Wintersemester 1998 fing ich an der Freien Universit?t an Filmwissenschaften zu studieren und an der Humboldt-Uni Kulturwissenschaften. Ich wollte sehen, wie das w?re, wenn man mal richtig Zeit hat, mit der Theorie strukturiert umzugehen.
Da half Ihnen sicher die Vergangenheit als Profisportler?
Wenn man da etwas lernt, dann das: Der Alltag ist wahnsinnig strukturiert. Der Nachteil in diesem n?chsten Leben war aber - es gibt keinen Trainer mehr. Den habe ich gesucht an der Uni. Das ist aber schwierig. Da sind ja schon viele Leute und ich glaube, die meisten Dozenten und Professoren begreifen sich nicht als Trainer.
Sie waren ja auch nicht mehr ganz so jung wie die anderen Studierenden…
Ich war 30. Das erste Jahr war schwierig. Da reinzukommen und diese Abl?ufe zu verstehen. Auf der anderen Seite war diese Neugierde. Und das alles bricht mit ganz normalen Alltagsdingen und müden Studenten. Aber geschwebt bin ich in diesem ersten Jahr sowieso, und ich war eigentlich permanent aufgeregt.
Haben Sie den Altersunterschied zu den Kommilitonen im Studienablauf gespürt?
Nicht nur, dass ich wahrscheinlich im Schnitt zehn Jahre ?lter war, ich hatte auch schon diese eigene Biographie, eine Geschichte. Dennoch hatte ich noch nicht diesen Status eines "Rentner-Studenten", sondern ich war irgendwie dazwischen.
Hatten Sie den Eindruck, dieses sp?te Anfangen mit dem Studieren hat den Vorteil, dass man besser Wichtiges von Unwichtigem trennen kann? Ist man gelassener?
Bestimmte abstrakte 金贝棋牌 kann man anhand der eigenen Biographie, der Erfahrungen und Wahrnehmungen spiegeln. Selber habe ich mich ganz sch?n jung gefühlt, denn das war alles mein neues Leben. Aber man merkt natürlich schnell, dass man ein paar Jahre ?lter ist. Grunds?tzlich finde ich es super, wenn man die M?glichkeit hat, in dem Alter zu studieren. Es ist natürlich auch Luxus, wenn man sich das leisten kann. Mit 20 h?tte ich ganz anders studiert. Ein Stück weit muss man verstehen, wenn um 10.15 Uhr ein Seminar losgeht und die Studenten so wahnsinnig müde sind - die meisten sind wahrscheinlich gerade von zu Hause weg, da sind viele Dinge aufregender als ein Seminar.
Gab es eigentlich eine Aufnahmeprüfung für Sie?
Nein. Ich hatte etliche Wartesemester, ich glaube zwanzig (lacht), und die haben mir sehr geholfen, als ich diesen hohen Numerus Clausus überwinden musste. Bei 20 Wartesemestern hat man einen Abi-Durchschnitt von 3,0 ausgeglichen.
Sie haben zwei Unis gew?hlt und zwei Hauptf?cher. Wie muss man sich Ihren Studienalltag vorstellen?
Zuerst mal fand ich das toll, dass es m?glich ist, einen Magisterstudiengang mit verschiedenen Unis zu machen. Noch dazu an zwei Orten. Ein Grundreiz von Berlin ist für mich, dass die Stadt so unterschiedlich ist. Für mich bot das Filmwissenschaftliche Institut der FU in der Grunewaldstra?e eine M?glichkeit, Steglitz kennen zu lernen. So, wie die Kulturwissenschaften in der Sophienstra?e es noch einmal anders m?glich machten, einen Alltag in Mitte zu erleben.
Wie gehen Steglitz und Mitte zusammen?
Gar nicht. Aber wenn man dann so was schon studiert, wie Kulturwissenschaft, dann geht es immer auch um Orte, um R?ume und wie so ein Leben gegliedert ist. Der Alltag war bestimmt von vielem Hin- und Herfahren, immer grundstrukturiert durch die Vorlesungen, Seminare, aber auch vom Drumherum, in den Cafés abh?ngen, in den Bibliotheken, bzw. an der FU vorzugsweise auch systematisch Filme gucken.
H?tten Sie an diesem Studentenalltag gern etwas ver?ndert?
Etwas fand ich eigenartig: Da gibt es so ein sch?nes Studium wie Kulturwissenschaften, wo man sehr viel lernt über die Wichtigkeit von Orten, welche Bedeutung diese für Menschen haben, welche Symbolik; und dann gibt es an diesem Institut nicht mal ein Café. Man wird so durchgeschleust, ohne dass die Uni einen eigenen sozialen Ort schaffen würde und dass die Studenten das auch selber nicht hinbekommen. Dafür habe ich mich zu alt gefühlt. Ich dachte jetzt nicht, dass man mit den 23-J?hrigen zusammen Uni noch mal neu definieren sollte. Es fehlt mehr Miteinander au?erhalb von diesen klassischen Dingen wie Seminaren und Vorlesungen.
Als Mannschaftssportler waren Sie ein Teamplayer. Das kollidierte wohl m?glich auch mit dem Aufbau des Studiums?
Das stimmt. Wenn man einmal Mannschaftssportler war, fühlt man sich irgendwie immer so und sucht sich auch seine Mannschaft. Die Uni ist nicht der Ort, der das aus sich selber heraus herstellt. Jeder muss sehen, wo er bleibt; was ja auch zur heutigen Zeit passt: Krempel deine ?rmel hoch! Setz' dich durch! Krieg' das hin! - Ich fand eben immer Sachen gut, wo es über das Einzelne hinausging.
Foto: Heike Zappe
?
Gab es unter den Dozenten Pers?nlichkeiten, die Ihrer Auffassung entsprachen?
Wer für mich gerade in diesem kulturwissenschaftlichen Studium sehr wichtig war, als Trainer dann doch, als Hochschullehrerin, war Professor Karin Hirdina. Es hat gro?en Spa? gemacht, dort ein Gegenüber zu haben, die die Perspektive der Studierenden ernst nimmt, versteht, das auch f?rdert, aber auch einfordert.
Wie hat sie das hergestellt?
Das fing mit einer Einführungsveranstaltung an. Gruppen sollten über ein Wahrnehmungsexperiment zu den Grundzügen der ?sthetik kommen. Man sollte die Frankfurter Allee ablaufen. Das funktioniert. Wahrnehmungen auf allen Ebenen: Wie ist die Stra?e aufgebaut, welche Geschichte hat sie, warum sind da so viele alte Leute, wer hat die Allee eigentlich gebaut? So hat man seine Gruppe kennen gelernt und zugleich die ersten Grundlagen von der ?sthetik. Ich war dann regelm??ig bei ihr, denn das war immer mehr als nur "So, jetzt macht man einen Schein". Durch sie habe ich eine Systematik, wie die ?sthetik funktionieren kann, kennen gelernt.
Und als Pendant im anderen Fach?
Bei den Filmwissenschaftlern war das Frau Professor Gertrud Koch, eine Grande Dame. In ihren Vorlesungen kam ich schnell ins Schw?rmen. So habe ich mir das immer vorgestellt, wie intellektuelle Menschen sind. Ihnen beim Denken zusehen und wie sie artikulieren, ist sehr faszinierend!
Was haben Sie da pers?nlich für sich entdeckt?
Ich habe eine M?glichkeit gefunden, meine eigene Sportlerbiographie noch einmal zu reflektieren. Das war sehr aufregend zu sehen, dass Dinge, wie Wahrnehmung, Raum, ?sthetisierung, im Sport eine gro?e Rolle spielen.
Mit dem Dozenten Dr. Holger Brohm hatten Sie w?hrend des Studiums ein Tutorium geführt. Beim Thema "Das ?sthetische im Sport" assoziiert man Leni Riefenstahl, Werbespots von Sportbekleidungsherstellern oder Fotostrecken mit Katharina Witt oder Anni Friesinger in M?nnermagazinen.
Es ging nicht um Leni Riefenstahl direkt, aber sie ist eben ein wunderbares Beispiel dafür, was passiert, wenn der Sport auf die Medien trifft. Es stellt sich die Frage: Inwieweit ist der Sport selber ?sthetisch zu begreifen? Was passiert, wenn die Medien sich einschalten? Danach entstehen Wechselwirkungen, und man kommt vom ?sthetischen schnell auch in Richtung ?sthetisierung. Dafür ist Leni Riefenstahl mit ihrem Olympia-Film beispielhaft. Das haben wir weiter untersucht und uns eine Art theoretisches Rüstzeug gegeben, um dann selber an Orte des Sports zu gehen. Das lief über ein Jahr.
Und so haben Sie immer wieder die Brücke geschlagen zu ihrer früheren Passion?
Theorie liest sich aus meiner Sicht leichter, wenn man da was findet, was einen gerade besch?ftigt. Dann wühlt man, dann will man weiter machen.
Sie kamen aus der Praxis und befassten sich dann jahrelang ausschlie?lich mit Theoretischem. Entwickelte sich auch ein Bedürfnis, etwas zu produzieren?
Ich hatte irgendwann eine wahnsinnige Praxissehnsucht bekommen. Ich wollte selber Filme machen und merkte, man hat null Handwerkszeug dafür. Wie kann man darüber reflektieren, wie sich das Medium Film zusammensetzt, wenn man noch nie selber Licht gesetzt hat? Ich habe dokumentarische Versuche gemacht und einen Kurzfilm.
Und bei den Kulturwissenschaften war es so: Wenn man sich so intensiv mit dem Thema Sport besch?ftigt, m?chte man das aufschreiben, und nicht nur als Hausarbeit. Ich habe regelm??ig für die "tageszeitung" geschrieben über Basketball und Sport, auch über Sportliteratur.
Trotzdem h?tte ich mir gewünscht, dass die Theorie mehr zu tun hat mit der Praxis.
Au?erdem hatten Sie ja schon Familie.
Das erste Kind kam im zweiten Semester, das zweite im achten, allein das bricht mit dem Alltag von vielen anderen Studenten. Es gibt eine Verantwortungsebene, bzw. ein Element, das die anderen so nicht haben.
Dennoch bietet eine Stadt wie Berlin noch allerhand Ablenkung vom Studieren…
Studieren in Berlin funktioniert komplett anders als in Marburg, Tübingen oder G?ttingen. Ich glaube, dass man dort mehr nach der Uni lebt, bzw. mit der Uni lebt. In Berlin ist es nochmals anders an der Humboldt-Uni als an der FU. An der HU ist man Teil der Stadt, und viele Leute definieren sich nicht ausschlie?lich durch die Universit?t. In dem Augenblick, wo man aus dem Institutsgeb?ude rausgeht, ist man Teil dieser Metropole. Und man tr?gt eben nicht permanent ein Humboldt-Uni-Shirt. Die Uni ist kein Identifikationsmedium wie das amerikanische College. Das schaffte eine Grundstruktur, aber es schafft nicht so einen generellen Spirit: "Ich, der Humboldt-Student gehe als Humboldtianer durch diese Unizeit."
Haben Sie w?hrend der Studienzeit Hochschulsport betrieben?
Wenn ich ehrlich bin, wusste ich gar nicht wirklich, dass es Hochschulsport gibt. Ich habe damals fast gar keinen Sport gemacht.
Ihre Magisterarbeit haben Sie in einem filmwissenschaftlichen Gebiet verfasst zu "Film als Architekturkritik".
Der Kritikbegriff wurde irgendwann wichtig im ?sthetikstudium. Was ist Kritik? Kriterien für die Kritik, Reflexion, Selbstreflexion. Auf welcher Grundlage kann man ein Urteil bilden? Wie unterschiedlich l?uft das in den unterschiedlichen Medien? Im Filmstudium war immer die Architektur wichtig, als Filmarchitektur und filmischer Raum. So habe ich mich gefragt, in welches Verh?ltnis man die beiden Medienkünste stellen kann, Film und Architektur und das führte mich zu dem Kritikbegriff.
Und Ihre Grundthese war?
Dass es neben der geschriebenen Form von Architekturkritik auch eine andere Form geben kann. Die Architekturkritik steht normalerweise in den Zeitungen oder in Sammelb?nden, manchmal in Büchern. Im Medium Film kommt das oftmals eher subtiler daher. Aber ich glaube, in dem Augenblick, wo im Medium Film der Raum auf den Menschen trifft, hat man immer schon eine Grundspannung. Dann ging es darum, sich dem beispielhaft zu n?hern, anhand von bestimmten Filmen.
Das hat gro?en Spa? gemacht, daran ein Jahr lang zu arbeiten. Am Ende das zusammen zu bringen, war wie immer doch anstrengend. Aber es war für mich ein sch?ner Abschluss. Danach war auch Punkt! Das reicht jetzt.
Sie wollten trotz Ihrer Abschlussnote von 1,0 nicht in der Wissenschaft bleiben, sondern gingen wieder zurück in Ihr gewohntes Metier, zun?chst als Teamchef der Albatrosse, jetzt als Sportdirektor.
Das Sch?ne ist, dass ich mir durch dieses Studium Generale theoretisches Rüstzeug für meine jetzige T?tigkeit aneignen konnte. Das hilft mir total. Jetzt ist es gerade so, dass mir ein bisschen Theoriefutter fehlt. Aber wir haben eine au?eruniversit?re Arbeitsgruppe bei uns, Leute mit einem akademischen Hintergrund, die im Basketball in unserem Jugendprogramm arbeiten. Wir treffen uns alle 14 Tage, lesen Kulturtheorie und denken darüber nach, was Sport in Deutschland ist oder sein k?nnte. Dass der Jugendtrainer eine wesentliche S?ule sein k?nnte, neben Elternhaus und Schule, jemand, der als positive Autorit?t mitl?uft bei den Kindern und Jugendlichen, das ist unsere Vorstellung: dass es ein grunds?tzliches Berufsbild wird.
Dennoch sind Sie der Universit?t weiterhin verbunden. Sie haben zu Beginn des Jahres innerhalb einer Ringvorlesung gesprochen zum Thema "Werkstattbericht - Alba Berlin als Sportverein. Oder wie der Sport dringend neue Begriffe braucht".
Da ging es nicht um ?sthetische Dinge, sondern ganz konkret darum, dass wir versuchen, eine aktive Rolle zu spielen in der Stadt. Was passiert, wenn der Profisport versucht, in der Innenstadt ein eigenes Kinderprogramm aufzubauen. Bei 金贝棋牌 wie Schulsport und Jugendtrainer merke ich, dass 90 Prozent der Menschen, mit denen ich darüber rede, ein leeres Gesicht bekommen. Das muss man ernst nehmen. Man muss neue Begriffe finden. Darüber habe ich mit den Studenten geredet.
Haben Sie Ambitionen, diese Gespr?che fortzusetzen?
Ja, vielleicht schlie?t sich so der Kreis von Praxis und Theorie. Universit?t ist kein abstrakter Ort und die Stadt auch nicht, das wird gelebt. Ich glaube, es geht immer darum, wie man ein Miteinander herstellt und aus diesem doch sehr geschlossenen System Universit?t herauskommt und es ?ffnet in Richtung Stadt. Es gibt eine Kooperation zwischen Alba und der Humboldt-Universit?t, wo wir am Sportwissenschaftlichen Institut Trainer ausbilden und auch Trainer auf uns aufmerksam machen. Au?erdem berate ich mit dem Sportsoziologieprofessor Sebastian Braun, wie wir in Zukunft gemeinsam arbeiten k?nnen. Wir sind uns inhaltlich und r?umlich sehr nah.
Wie stellen Sie sich ein ideales Hochschulstudium vor?
Das hat wenig mit der Realit?t zu tun. Es ist bestimmt durch kluge Lehrer, die M?glichkeiten und Lerntechniken schaffen, dass Leute verstehen, was das Tolle am Studieren ist. Das hei?t Einlesen, Weiterlesen, Schreiben lernen, Denken lernen. Ein Studium, das nicht grunds?tzlich bestimmt ist über Module, Scheine, Praktika und Praxis. Praxis in dem Sinne der Vorbereitung auf das Berufsleben. Aus meiner Sicht funktioniert das so nicht. Es wird erst richtig toll, wenn man Zeit hat, dort reinzuwachsen.
Wie sollten junge Leute nach der Schule ihr Leben anpacken, ob in der Uni oder au?erhalb?
Man müsste sich eigentlich fragen, wie sich Leute heutzutage aufrüsten sollen. Es geht ja schon los in der Vorschule mit der ersten Fremdsprache. Ich wünsche jedem, dass er sich ein Stück weit frei machen kann von diesem Druck, der da aufgebaut wird. Als ob 17 Praktika mehr dazu führen, dass Dinge wahrscheinlicher werden. Es sollte m?glich sein, dem n?her zu kommen, wie die Welt ist, wie sie funktioniert und was wirklich wichtig ist. Darum geht es doch: Leidenschaft und Spa? an Dingen entwickeln, weit weg davon, ob man sich damit aufrüstet als Arbeitskraft.
Das Gespr?ch führte Heike Zappe.
Eine gekürzte Version erschien am 11. April 2010 im Tagesspiegel.
?
Henning Harnischs Studentenalltag in Stichworten
Bibliotheken
Ich habe meine Magisterarbeit gr??tenteils in der Staatsbibliothek geschrieben. Die Architektur fand ich schon toll. Bibliotheken sind für mich richtig heilige Orte.
Studienfinanzierung
Ich hatte gro?es Glück. Dadurch, dass ich vorher Profisportler war, konnte ich mir Geld zurück halten und sechs Jahre davon leben. So zu studieren ist natürlich perfekt.
Mensa
Ich war in meiner ganzen Unizeit kein Mal in der Mensa. Ja, voller Vorurteile.
Prüfungen
Aus der Schulzeit habe ich ganz schlechte Erinnerungen. Das hat sich durch die Uni nicht nur ge?ndert, sondern ich fand es toll, darauf hin zu lernen. Ein absurdes Beispiel f?llt mir aber auch ein: Am Schluss musste man bei den Filmwissenschaftlern eine schriftliche Prüfung machen. Das hat man das ganze Studium nicht gemacht. Handschriftlich musste man üben, weil man das ja gar nicht mehr so richtig praktiziert.
Bei den mündlichen Prüfungen muss man sein eigenes Nachdenken wirklich auf den Punkt bringen und sich in diesem Sinne artikulieren. Das fand ich wichtig.
Semesterferien
Ein bisschen wie früher w?hrend der Schulzeit. Ferien haben ist generell toll. Ich mag diesen Rhythmus. Ich mag es wie Jahreszeiten. Das sind Zeiten, wo man anders lebt, die aber w?hrend der Uni auch mehr und mehr stark belegt waren durch Hausarbeiten.
Exmatrikulation/Verabschiedung
An den Universit?ten fehlt viel Symbolisches, im Sinne, wie man ein Gefühl herstellt, dass man dabei ist. Ich habe meine beiden Lieblingskommilitonen nach meiner letzten mündlichen Prüfung gefragt, ob wir meine Uni nicht abschlie?en k?nnen. Wir trafen uns mittags und liefen zu Fu? von Steglitz nach Kreuzberg, und kehrten an jeder Kneipe, an wir vorbei kamen, ein. Der Schlussort war dann die Ankerklause. Das war einer der glücklichsten Tage in meinem Leben.
Dozenten
Man braucht viel mehr Mittelbau. Leute, die da als Lehrer arbeiten, die davon auch leben k?nnen.
Zukunftspl?ne
Nach dem Studium der Weinhandlung arbeiten oder zurückgehen zum Basketball? Nach sechs Jahren Uni in den Sport zurück zu gehen, nicht als Spieler, sondern auf der anderen Seite, dort etwas organisieren k?nnen, etwas gestalten k?nnen, das ist toll.