"Ich war froh, in das eigentliche Leben einsteigen zu k?nnen"
Karin Büttner-Janz war die erfolgreichste Turnerin der Welt - und entwickelte eine künstliche Bandscheibe mit internationalem Patent
Ausschnitte aus dem Video-Interview
Das Interview in voller L?nge
Pokale und Medaillen aus vergangenen Zeiten sucht man vergeblich im Arbeitszimmer in der Hellersdorfer Klinik. Fotos: Heike Zappe
Karin Büttner-Janz ist Direktorin der Orthop?dischen Klinik des Vivantes Klinikums Hellersdorf. Die Weltmeisterin, zweifache Olympiasiegerin, vierfache Europameisterin und 20-fache DDR-Meisterin im Turnen studierte von 1971 bis 1978 Humanmedizin an der Humboldt-Universit?t. Sie promovierte und habilitierte hier und war bis 1990 an der Orthop?dischen Klinik der Charité t?tig. In diesem Jahr wurde sie in die International Gymnastics Hall of Fame in Oklahoma City aufgenommen. Wie sich das "zweite Leben" der Karin Janz nach dem Leistungssport entwickelte, erz?hlt sie im Interview.
Frau Dr. Büttner-Janz, was bringen Sie mit der Humboldt-Universit?t in Verbindung?
Historisch betrachtet meine Studienzeit und dass ich heute noch immer mit der Humboldt-Uni durch die Ausbildung von Studenten recht eng verbunden bin.
An welches Detail erinnern Sie sich sofort?
Na, die zwei Humboldts vor der Uni.
Wissen Sie, wer links bzw. rechts sitzt?
Diese Frage wurde mir kürzlich schon einmal gestellt, und ich habe sie falsch beantwortet.
Sch?tzen Sie mal!
Nein, das ist ja Raten. Ich wei? nicht mehr. Rechts Wilhelm, links Alexander.
Umgekehrt.
Wusste ich. (lacht)
Derjenige, der dem Alexanderplatz n?her ist, ist Alexander.
Richtig. Ja.
Beim Erw?hnen Ihrer Studienzeit leuchteten Ihre Augen ein wenig. Erinnern Sie sich positiv daran?
Ja. Unbedingt.
Sie waren eine aktive und ?u?erst erfolgreiche Hochleistungssportlerin und gleichzeitig nahmen Sie ein Medizinstudium auf, was ja doch, selbst wenn man nicht Leistungssport treibt, sehr anstrengend ist. War das nicht eine Doppelbelastung für Sie?
Es waren nur anderthalb Jahre, in denen sich Leistungssport und Studium überschnitten. Insofern war die Belastung nicht so, wie Sie das jetzt vermuten. Parallel zu den Olympia-Vorbereitungen 1972 habe ich zwei F?cher absolviert. Das ist natürlich nichts gegenüber dem normalen Studium. Nach den Olympischen Spielen wurde ich versetzt in ein anderes Studienjahr, damit ich noch einmal beginnen konnte.
Konnten Sie sich dann kontinuierlich dem Studium widmen?
Es gab nach Olympia, wo wir mit fünf Medaillen - einzeln und mit der Mannschaft -sehr erfolgreich waren, eine Auszeichnungsreise für die Medaillengewinner. Dann war ich noch zwei Wochen in Japan und zu einem Schauturnen in der damaligen UdSSR. Ja, und dann fing ich eigentlich erst an mit dem zweiten Semester des ersten Studienjahres, in das ich versetzt wurde und musste im Grunde genommen das erste Semester nachholen. Als die anderen Studenten in ihren Semesterferien waren, habe ich das meiste absolviert. Gleichzeitig fanden aber im Sommer 1973 die Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin statt, und ich war auserkoren, bei einer Massenübung auf einer Pyramide ganz oben zu sein. So zehn, elf Meter hoch war das; ich schwebte da in der Luft in einer bestimmten Pose. Und dafür war Training erforderlich. Ich kann mich erinnern, dass ich damals mit meinen Chemie-Unterlagen im Training war und in der Pause gelernt habe. Am Tag nach den Weltfestspielen war die Chemie-Prüfung.
Hatten Sie einen speziellen Studienplan?
Ja. Es gab auch Dozenten, die die Zeit aufbrachten, mich im Einzelgang auszubilden, so dass ich meine Prüfungen absolvieren konnte, um dann regul?r mit dem Studium weiter machen zu k?nnen. Im vollst?ndigen Alleingang geht es nicht. Unsere Anatomie-Dozentin, borgte mir sogar ein Mikroskop und Pr?parate, damit ich mich am Wochenende, wenn die Labore geschlossen waren, bilden konnte. Immerhin, die Pr?parate waren heilig. Die kann man beim Mikroskopieren, mal schnell zerstanzen; und die Arbeit, diese anzufertigen, ist ja ziemlich aufw?ndig. Damit wurde mir auch die M?glichkeit geboten, schnell und unkompliziert das Vers?umte nachzuholen. Und ich war sehr dankbar dafür.
Da waren Sie 21 Jahre. Ihre Sportlerkarriere begann ja wesentlich früher. Ihr Vater entdeckte Sie ...
Ja richtig. Mit einem halben Jahr so ungef?hr. Er war an der Erweiterten Oberschule Lehrer für Physik und Sport, hat selbst sehr gern und gut geturnt und hat sicher gedacht: Prima Hobby für den Vater, mit dem Kind mal so etwas zu versuchen.
Er hatte schon den richtigen Blick?
Sicherlich. Er war auch recht erfolgreich im deutschen Ma?stab. Und ihm hat es Spa? gemacht. Mir auch, sonst h?tte ich es nicht verfolgt. Kinder sind ja da gnadenlos. Die machen eben das, was Spa? macht und das eben nicht oder widerwillig, was nicht Spa? macht. Und er hat mir schon eine ganze Menge beigebracht, bevor ich dann auf eine Kinder- und Jugend-Sportschule kam.
Die Kinder- und Jugend-Sportschule war im damaligen DDR-Bezirk Cottbus in Forst. Wie lief das Leben dort ab?
Getrennt von den Eltern. Und das war nicht gut in diesem Alter. Am Wochenende war ich bei den Eltern, also sonnabends nach der Schule nach Hause fahren, sonntags wieder zurück. Oft hatte ich sogar Wettkampf. Dann wieder von Montag bis Sonnabend Schule und Training im Wechsel. Das fing an, als ich zehn war. Ganz sch?n zeitig, nicht? Andererseits, wenn man im Turnen sehr gut werden m?chte, dann muss man das früher beginnen, vielleicht mit vier, fünf, sechs Jahren. Und es sollte auf die Eltern geschaut werden, ob sie k?rperliche Voraussetzungen bieten, die vererbt werden.
Mit Beginn des neunten Schuljahres sind Sie nach Berlin ins Trainingszentrum gekommen. 1966, als Sie dort anfingen, wurden zum ersten Mal die Spartakiade-Wettk?mpfe ins Leben gerufen, also so kleine Olympische Spiele für Kinder und Jugendliche in der DDR. Da war m?glicherweise auch der Leistungsdruck von der staatlichen Seite da, m?glichst gute Talente zu rekrutieren?
Im Berliner Trainingszentrum fand ich sehr gute und mit führende Turnerinnen der ehemaligen DDR vor. Da nahm man sicher nicht jeden. Mir wurde die M?glichkeit geboten, dort mit dem Training zu beginnen. Für mich war hier auch eine Perspektive erkennbar, sich weiter entwickeln zu k?nnen, und der Sport machte auch Spa?.
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Machten Sie sich damals schon Gedanken, was sich an eine sportliche Karriere anschlie?en k?nnte?
Ja. Rechtzeitig, schon mit acht, neun Jahren wollte ich Medizin studieren. Erst Zahnmedizin. Ich merkte dann aber, als ich selbst hin und wieder Patientin war, dass ich "zu kurz geraten" war, um das absolvieren zu k?nnen.
Die Alternative war?
Ich dachte dann an's Dolmetschen. Leider bin ich nicht besonders sprachtalentiert.
Sie hatten immerhin in Russisch und in Englisch eine Eins.
Ja, klar. Aber ich wei?, dass es Menschen gibt, die sich sehr leicht im Ausland einleben. Vielleicht bin ich auch nicht kontaktfreudig genug. Heute kann ich das im ausreichenden Ma?e, wenn ich zu Kongressen bin, Vortr?ge halte und in der Diskussion bestehen darf. Aber ein Sprachtalent bin ich nicht.
Turnen hat mit Tanz zu tun. Tendierten Sie in eine künstlerische Richtung?
Nein. Aber der Gedanke Medizin zu studieren, ist dann zunehmend gewachsen. Ich hatte w?hrend des Sports zum Glück nie richtig gro?e Verletzungen. Mal umgeknickt, mal verstaucht und gezerrt oder ein vorrübergehendes ?berlastungsproblem, das hatte ich schon. Da wurde ich dann von einem Facharzt für Orthop?die oder Chirurgie behandelt. Auf Grund dieser Erfahrungen konnte ich mich schon grob damit identifizieren, das für die Zukunft als Option zu sehen.
Leistungssportler genossen in der DDR einen besonderen Stellenwert. War es eher f?rderlich prominent zu sein, als Sie an der Charité mit dem Studium begannen?
Es war sehr schwierig. Bereits als ich dem Seminar vorgestellt wurde, ist Bezug genommen worden auf meine sportliche - in dem Falle dann schon fast - Vergangenheit. Man ist Outsider. Ich hatte ja schon die letzten Schuljahre fast im Alleingang verbracht, hatte Einzelunterricht, damit ich Training und Schule miteinander koppeln konnte. Nun wurde ich wieder als Einzelg?nger pr?sentiert, aber es gelang mir dann doch glücklicherweise recht schnell, mich in diese Gruppe einzubringen.
Bei den Prüfungen wurde sehr kritisch geschaut, ob man auf seinem erfolgreichen sportlichen Polster aufbauen will. Also, ich wurde ziemlich hart ran genommen. Im Laufe der Zeit spielte der Bekanntheitsgrad aber keine Rolle mehr. Ich hatte auch keine Probleme, das Studium zu absolvieren.
Als Leistungssportlerin mussten Sie auch abtrainieren, oder?
Das ist ganz bestimmt zu kurz gekommen. Ich kann froh sein, dass Turnen keine Ausdauersportart ist und ich ohnehin kein Ausdauermensch war. Ich habe sehr viel mit Technik kompensiert. Also technisch m?glichst perfekt zu turnen und damit Kr?fte sparend und gleichzeitig sch?n, ?sthetisch.
Ich bin dann früh mit dem Fahrrad gefahren durch Berlin zur Uni. Zwei Mal zehn Kilometer jeden Tag, wenn zumindest das Wetter es zulie?.
Und dann nach dem Seminar in die Turnhalle?
So gut wie nicht mehr. Mal so aus Jux, also mal einfach probiert, was noch geht.
Die Olympischen Spiele in München 1972 gaben Ihnen nicht den Kick, um sich zu motivieren und zu sagen, jetzt zieh' ich noch einmal vier Jahre durch?
Nein. Gleich nach dem Wettkampf habe ich verkündet, ich h?r' auf - zum Entsetzen der Trainer. Ich wollte ja Medizin studieren. Ein Medizinstudium und die Facharztweiterbildung - das ist ein sehr weiter Weg. Irgendwann m?chte man mal fertig sein. Also, da hatte ich ganz klare Zielstellungen. Au?erdem hatte ich das Gefühl, an meinem Zenit angekommen zu sein. Ich war froh, relativ jung und erfolgreich mit dem Sport aufh?ren zu k?nnen und dann in das eigentliche Leben, das mit Beruf gekoppelt ist, einsteigen zu k?nnen.
Sie waren nach dem Studium und der Ausbildung zur Fach?rztin für Orthop?die auch in der Forschung erfolgreich.
Ich bin eine der beiden Entwickler einer künstlichen Bandscheibe, die im allgemeinen Sprachgebrauch als Charité-Disk bezeichnet wird. Die Entwicklung begann etwa 1982 in der Orthop?dischen Universit?tsklinik. Ich habe zu der Thematik auch habilitiert. Meine Habilitation wurde zu Beginn der 90er Jahre in den USA als Buch heraus gebracht. Das zeigt schon das damalige Interesse Es gab aber auch eine schwierige Phase der Entwicklung Anfang der 90er Jahre. Ich war vermutlich in Deutschland die Einzige, die diese Prothese, dann schon in der dritten Entwicklungsstufe und durch eine Hamburger Firma hergestellt und vertrieben, implantierte. Und ich hatte auch keinen leichten Stand damals, weil unter meinen Kollegen m?glicherweise mehr Widerstreiter als Befürworter waren.
Aber es wurde doch ein sehr erfolgreiches Patent?
Mitte der 90er Jahre ging dann eine unheimliche Entwicklung los: Die Prothese wurde inzwischen über 6000 Mal implantiert, auf allen Kontinenten, in über 30 L?ndern. Inzwischen wurden von zwei Prothesen alle Rechte verkauft, auch von der Charité-Disk, mit so viel Geld, dass man davon ein gro?es Krankenhaus h?tte bauen k?nnen, wenn man dieses Geld so anlegen wollte.
In Ihrer Diplomarbeit hatten Sie sich noch einer statistischen Untersuchung zur Notfallmedizin in der DDR gewidmet.
Aus heutiger Sicht h?tte ich wirklich ein anderes Thema w?hlen sollen. Mein Ziel war damals eine Diplomarbeit m?glichst kurz und unkompliziert zu schreiben, um den erforderlichen Beitrag zum Studienabschluss zu bringen.
Sie wollten nicht im Bereich Sportmedizin arbeiten?
Ich sollte eigentlich bei meinem Sportclub einsteigen, das hei?t Leistungssportler betreuen in Trainingslagern und dergleichen.
Wurden Sie auch mit dem Thema Doping konfrontiert?
Glücklicherweise nicht. Ich denke, man kann vieles durch Trainingsmethodik, mit Organisation und auch mit richtiger Ern?hrung erreichen. Mit dem, was der Gesundheit zutr?glich ist und was mit der Vermeidung von ?berlastungssch?den oder Verletzungen einher geht. Aber künstliche Mittel, von denen man nicht mal wei?, ob die nicht für den K?rper direkt oder perspektivisch sch?dlich sind, lehne ich ab.
Wie fanden Sie den Weg zur Bandscheibe?
Die Promotion war fertig gestellt und ich wollte habilitieren. Ich hatte den Anspruch, kreativ zu arbeiten, innovativ zu sein, ich wollte gern etwas machen, was einen Neuheitswert hat. Man wusste damals, dass das, was vereinzelt in der Welt ver?ffentlicht wurde zum künstlichen Bandscheibenersatz, nichts taugt. Es gab ein leeres Feld in der Wirbels?ulen-Chirurgie und -Orthop?die. Der damalige Klinikdirektor in der Charité, Prof. Hartmut Zippel, wies darauf hin und dann wurde das Thema aufgegriffen von Dr. Kurt Schellnack, der sp?ter Professor wurde, und von mir. Wir beide waren die Entwickler der künstlichen Bandscheibe, der "Charité-Disk".
Die ersten Implantationen des Modells 1 wurden 1984 durchgeführt. Dann wurde Modell 2 entwickelt mit einer gr??eren Abstützfl?che im Bandscheibenraum. Erste Implantation 1985.
Ging die Entwicklung reibungslos vonstatten?
Leider gab es Materialprobleme. In der DDR war die Herstellung der ben?tigten Metallplatten nicht so m?glich, wie man sich das optimal gewünscht h?tte. Wir hatten uns dann damals an eine Hamburger Firma wenden k?nnen. 1987 wurde in Hamburg eine Prothese hergestellt, die den erforderlichen Belangen nachkam, gerade unter Beachtung der Bedingungen der Lendenwirbels?ule aus medizinischer, biomechanischer Sicht. Und dann begann eigentlich die Entwicklung. Wir haben Patienten in der Charité operiert und die Methode wurde zunehmend verbreitet. Bis sich das richtige Interesse an der Prothese durchsetzte, vergingen trotzdem noch fast zehn Jahre. Dann ging es so richtig los.
War das üblich an der Charité, mit westdeutschen Forschungseinrichtungen zusammenzuarbeiten?
Ich glaube nicht. Es hatte einer Genehmigung bedurft. Auch die Genehmigung zum Ver?ffentlichen von Beitr?gen in Zeitschriften des westlichen Auslands musste man sich über die entsprechenden Instanzen in der Charité einholen. In der führenden deutschen Orthop?diezeitschrift habe ich 1987 den Leitartikel bringen k?nnen zu dieser künstlichen Bandscheibe.
Wie sah denn Ihr Arbeitsalltag aus?
Mit dieser Forschungsarbeit war ich maximal zugedeckt. Ich war seit 1987 viele Jahre Ober?rztin für Endoprothetik mit entsprechend langen Arbeitstagen. Ich hatte publiziert und Vortr?ge gehalten und dann die Habilitation Schritt für Schritt erarbeitet. Diese Entwicklung der künstlichen Bandscheibe war ja weltweit einmalig. Auch wenn wenig Freizeit war, die eigentliche Klinikarbeit hat mir gro?en Spa? gemacht, mit den Patienten eine Partnerschaft einzugehen, die eine erfolgreiche Behandlung erm?glicht.
Sie wurden als "Vorzeigesportlerin" auch zu 金贝棋牌 eingeladen. Endete das mit Ihrer sportlichen Kariere?
Nicht ganz. Auch sp?ter noch führte ich Foren durch, wo man Lichtbilder zeigte und erz?hlte, was man bei den Auslandsaufenthalten erlebt hat. Das war auch deshalb interessant, weil die bekannten Reisebeschr?nkungen bestanden und die Sportler durch die Wettk?mpfe mehr M?glichkeiten hatten. Aber das würde ich nicht in die Kiste Ideologie packen. Das war halt eine Reisedarstellung.
Es gab diesen Terminus "Diplomat im Trainingsanzug". Fühlten Sie sich so?
Da ist schon etwas dran gewesen. Es war auch eine interessante Zeit im Sport. Wir trugen 1968 in Mexiko City zu den Olympischen Spielen dieses gemeinsame deutsche Emblem. Es gab zwei deutsche Mannschaften, jedoch mit gemeinsamer Hymne, mit gemeinsamem Emblem, gemeinsamer Fahne.
Und dann trat die DDR 1972 zu den Olympischen Spielen - und Olympische Spiele sind ja nach wie vor das Weltereignis im Sport - erstmalig komplett selbstst?ndig auf und das ausgerecht in München, in der Bundesrepublik Deutschland. Die Reaktionen gingen nicht an einem vorbei. Wir hatten unsere Zielstellung für die Wettk?mpfe und man wusste ungef?hr, wo man an welchem Ger?t vielleicht welche Medaille erk?mpfen k?nnte. Und die besonderen politischen Bedingungen waren nicht gerade entlastend und beruhigend.
Sie haben für die Spiele eine Figur kreiert ...
Ja, den "Janz-Salto" am Stufenbarren. Zusammen mit dem Trainer wird so etwas erarbeitet. Mindestens ein Jahr wird dann diese ?bung trainiert, ohne noch einmal kreativ zu sein. Es ist ein sehr gro?er Aufwand, so ein Element wirklich routinem??ig, relativ sicher beherrschen zu k?nnen mit der auch nervlichen Belastung zu gro?en Wettk?mpfen. Kreativit?t spielt in der Trainingsphase keine Rolle mehr, nur die technische Perfektion.
W?ren Sie in Westdeutschland aufgewachsen, w?ren Sie dann auch das geworden, was Sie heute sind?
Es ist eigentlich nicht richtig m?glich, das zu vergleichen, weil zu viele Einflussfaktoren da sind, die man nicht vergleichen kann, weil man sie nicht kennt. Ich k?nnte mir vorstellen, dass ich vielleicht ?hnlich gut h?tte werden k?nnen und zwar deshalb, weil ein Gro?teil der Vorarbeit mein Vater geleistet hat. Dann w?re es darauf angekommen, einen richtigen Trainer und ein Team zu finden. Ein Einzeltrainer im Turnen ist nicht m?glich durch die verschiedenen Ger?te; Gymnastik ist nicht gleich Barrentraining. Und wenn das Training mit Geld verknüpft gewesen w?re, h?tten meine Eltern sich das allerdings nicht leisten k?nnen. Ich bin in normalen, eher ?rmlichen als reichen Verh?ltnissen gro? geworden. Es ist eine Frage des Talents, der F?rderung und der Trainingsbedingungen. Und wie man es mit Schule verbinden kann.
Kennen Sie Sportlerinnen aus Ihrer damaligen Zeit aus dem westlichen Ausland, die eine ?hnliche Kariere aufweisen k?nnen wie Sie?
Das nicht. Das Niveau im Turnsport im weiblichen Bereich war in der damaligen Bundesrepublik nicht gut. Vielleicht h?tte ich es besser gemacht. Wer wei?.
Sie sind heute Privatdozentin, leiten eine Klinik, operieren, sind im medizinischen Leben eine gestandene Frau. Haben Sie sich Ihren Lebensweg so vorgestellt?
In der Studienzeit habe ich nicht so weit voraus gedacht. Da habe ich bis zur n?chsten Prüfung gelebt, dann bis zum Studienabschluss, zum Abschluss des Praktikumsjahres, der Facharztweiterbildung. Ich fing erst an "über den Gartenzaun" in die Ferne zu gucken, als ich Chef?rztin hier wurde, 1990 im M?rz war das.
Voraus schauen geh?rt auch zu meinem Beruf in zweierlei Hinsicht. Mein Fachgebiet verlangt es: Wie lange ist das Implantat im K?rper, ist der Patient damit zufrieden, welche Probleme sind zu erwarten, wie kann der Patient darauf vorbereitet werden, welche Alternativen gibt es?
Zum anderen, wenn man eine Klinik leitet, und ich mache das auch sehr gern, m?chte man rechtzeitig erfassen, wo die Entwicklung hin geht. Wie kann man sein Team motivieren und nach vorn orientieren und die erforderlichen Schritte dafür unternehmen?
Fühlen Sie sich noch der Charité verbunden?
Meine Verknüpfung mit der Charité als Medizinischer Fakult?t der Humboldt-Universit?t zu Berlin reicht vom Jahr 1971, wo ich immatrikuliert wurde, bis zum heutigen Tag. Ich wusste, dass ich in einer besonderen Einrichtung studiert. Sie ist auch heute noch etwas Besonderes. Der Name Charité setzt sich durch, trotz verschiedener Entwicklungen, die sich inzwischen vollzogen haben.
Nach der Studienzeit und der Arbeit in der Orthop?dischen Klinik der Charité bin ich ins Klinikum Hellersdorf gekommen, habe 1992 die entsprechende Befugnis erhalten, in der Lehre t?tig zu sein. Seitdem führe ich Seminare, Vorlesungen und Studentenbetreuung durch.
Spielt der Sport noch eine Rolle in Ihrem Leben?
Hin und wieder. Ich hatte in diesem Jahr die gro?e Ehre, in die International Gymnastics Hall of Fame in Oklahoma City aufgenommen zu werden, mitten in der Tornadozeit. Aber das Sporttreiben kommt zu kurz. Ich fahre sehr gern Ski-Alpin, versuche aber nicht zu gef?hrlich zu fahren, weil ich nicht meine eigene Patientin werden m?chte. Es gibt auch immer wieder ehemalige Sportler in meiner Sprechstunde. Die sehe ich natürlich gern. Manchmal ist auch die Erinnerung ein bisschen dabei. Es passiert sehr oft zu den Klinikvisiten, dass ich auf meine Sportzeit angesprochen werde. Mir ist das dann manchmal auch in gewisser Hinsicht peinlich, weil es um die Klinikarbeit geht und nicht um mich als Person. Aber die Patienten, die Erinnerungen an die frühere Sportzeit ansprechen, die haben noch heute einen hohen Identifikationsgrad damit. Und das verbindet.
An der Humboldt-Universit?t nehmen in diesen Tagen mehr als 6000 junge Menschen ein Studium auf. Welchen Rat m?chten Sie ihnen mitgeben?
Universit?ten sind sehr wichtig, ich sehe sie als Motor der Zukunft an. Die Studenten sind im Normalfall hoch interessiert, etwas zu bewegen. Für sich, für ihr Fach, das sie w?hlen. Sie sollten m?glichst schon w?hrend der Schulzeit herausfinden, wo ihre spezifischen Interessen liegen. Damit sie sich von Anbeginn auf das konzentrieren k?nnen, was mal sp?ter als Berufswunsch ansteht. Und ich glaube, das f?llt vielen jungen Leuten recht schwer. Man wird nur richtig gut im Fach, wenn man sich voll einbringt. Die in der Universit?t Lehrenden sollten sehr offen sein, den Studenten maximale Unterstützung zu leisten - in einer verbalen Vermittlung und auch in der direkten praktischen Arbeit. Aber es soll natürlich nicht das Leben zu kurz kommen. Das soll man trotzdem genie?en.
Das Gespr?ch führten Heike Zappe und J?rg Wagner.
Das Interview entstand im September 2003. Es wurde im Rahmen des Projekts "Prominente Ehemalige der Humboldt-Universit?t zu Berlin" geführt. In einer gekürzten Print-Fassung ist es erschienen in der Tagesspiegel-Beilage der Humboldt-Universit?t am 17.10.2003. Es liegt ungekürzt als Videomittschnitt vor.