?Die Besch?digungen sind nachhaltig, der Vertrauensverlust bleibend“
Herr Prof. Dr. Essen, die katholische Kirche steht schon seit langem wegen ihres Umgangs mit den Missbrauchsf?llen in der Kritik. Wie bewerten Sie die Position der Kirche gegenüber dem Vorgehen Kardinal Woelkis?
Wie immer man die Rechtsfragen im Einzelnen auch beurteilen mag, fest steht, dass das, was in K?ln geschieht, die ohnehin schleppend verlaufenden Versuche der katholischen Kirche, die Missbrauchsf?lle aufzukl?ren, in ein schlechtes Licht rücken, ja in Misskredit bringen. Man gewinnt den Eindruck, dass sich der Erzbischof hinter der Frage, wie mit den Gutachten umzugehen sei, verschanzt. Das Ganze ist ein Kommunikationsdesaster. Der Geduldsfaden ist gerissen, ich sehe nicht, wie in K?ln das Vertrauen wiederhergestellt werden k?nnte. Es ist doch illusorisch zu meinen, nach der Ver?ffentlichung der Gutachten sei alles wieder im Lot. Das Ganze wird als ?high noon“ inszeniert – mit dem 18.3. kommt alles ans Licht. Das wird nicht funktionieren. Die Besch?digungen sind nachhaltig, der Vertrauensverlust bleibend.
Welche Antworten auf die aktuelle Krise erwarten Sie von der Deutschen Bischofskonferenz, die derzeit ihre Frühjahrs-Vollversammlung abh?lt?
Positiv ist, in welcher Deutlichkeit sich andere Bisch?fe vom K?lner Kardinal ?ffentlich distanziert haben. Für Konfliktf?higkeit und Streitkultur ist die katholische Kirche ja wahrlich nicht bekannt. Es gibt Bisch?fe, die den Ernst der Lage erkannt haben. Man kann nur hoffen, dass diese Bisch?fe sich durchsetzen werden. Der Bischofskonferenz l?uft allm?hlich die Zeit davon. Wenn es ihr nicht gelingt, einheitliche Entsch?digungsregeln für Betroffene fl?chendeckend zu etablieren und eine unabh?ngige Aufarbeitung der Missbrauchsskandale zu garantieren, ist der letzte Rest an Vertrauen verloren. Der Ruf nach dem Staat, sich dem Thema anzunehmen, ist ein Alarmzeichen: die Kirche hat ihren Kredit an Glaubwürdigkeit augenscheinlich verspielt. Man traut ihr nicht mehr zu, den eigenen Augiasstall auszumisten. Ein Herakles ist, um im Bilde zu bleiben, nicht in Sicht.
Als Reaktion auf den Missbrauchsskandal hat die Deutsche Bischofskonferenz sich seit 2019 mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken auf einen ?Synodalen Weg“ begeben. Kann dieser Weg gelingen oder ist der Druck von der Basis dafür nicht zu gro??
Auf der einen Seite ist der ?Synodale Weg“ alternativlos. Es bedurfte eines starken Zeichens, um sich entschlossen auch den strukturellen und systematischen Fragen zuzuwenden. Die unglaubliche Vielzahl der F?lle von sexualisierter Gewalt in der Kirche, die erschreckend hohe Anzahl von Priestern, die sich des Missbrauchs schuldig gemacht haben, lassen keinen anderen Schluss zu als den, dass es weitreichende Strukturreformen braucht, um derartigen Verbrechen entgegenzutreten. Die Machtfrage, zum Beispiel, muss auf den Tisch! Wer vom sexuellen Missbrauch in der Kirche spricht, muss ihre Sexualmoral zur Sprache bringen. Will die Kirche eine Zukunft haben, muss sie von Grund auf ihr Frauenbild korrigieren. Auf der anderen Seite wird, das muss man auch deutlich sagen, der ?Synodale Weg“ von Erwartungen überfrachtet. Ihm wird im Grunde die Aufgabe übertragen, jahrzehntelange Reformblockaden aufzul?sen und tiefgreifende Ver?nderungen auf den Weg zu bringen. Keiner wei?, ob das gut gehen kann! Gelingt dies nicht, werden die Entt?uschungen ma?los sein.
Interview: Cordula de Pous
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