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?‘Islamische Religionsp?dagogik’ ist eine deutsche Erfindung“

Prof. Dr. Tuba Isik über den neuen Studiengang an der Humboldt-Universit?t, interreligi?ses Lernen und die Bedeutung von Musik


Prof. Dr. ?Tuba Isik, Foto: Matthias Heyde

Was ist das Spezifische an Islamischer Religionsp?dagogik in Deutschland? Gibt es hier eigene Voraussetzungen?

Es beginnt mit der Wortsch?pfung, sie ist eine deutsche Erfindung. Das Novum hier ist der s?kulare Kontext. Islamische religi?se Bildung ist Muslim*innen aus der eigenen religi?sen Sozialisation bekannt und insbesondere aus ihren Moscheebildungen. Da zeigen sich traditionelle Heranführungsweisen an den Glauben und ihre Wissensvermittlung. In Deutschland aber gibt der s?kulare Staat uns einen bestimmten Rahmen vor, an den wir die Vermittlung von religi?ser Bildung anpassen müssen. Islamische Religionsp?dagogik soll Vermittlungswege aufzeigen, die einen reflexiven Umgang mit Glaubensinhalten bezwecken, religi?se ?berzeugungen zur Disposition stellen und religi?se Pluralit?t, wie sie vor allem in Berlin gelebt wird, ernst nehmen.

In Ihrer Forschung interessieren Sie sich vor allem für das Konzept interreligi?sen Lernens aus islamischer Perspektive. Was fasziniert Sie daran?

Tats?chlich habe ich Theologie immer als Gespr?ch mit anderen Theologien kennengelernt. In dieser Perspektive betrachte ich auch die Entwicklung der islamischen Religionsp?dagogik in Deutschland: im Gespr?ch mit den erfahrungsreichen christlichen Religionsp?dagogiken, die sich diversen Grundfragen und Herausforderungen gestellt haben sowie Ans?tze und Konzepte hervorgebracht haben. Wir k?nnen von ihnen sehr viel lernen. Gemeinsam über Gott zu sprechen, er?ffnet mit Einschr?nkung oft neue Deutungshorizonte, nicht nur des Religi?sen, sondern auch der eigenen Glaubenswelt und Lebenswirklichkeit.

Es gibt auf muslimischer Seite keine theologischen Grundlagen oder theologische Plausibilisierung für einen interreligi?sen Dialog. Das ist eine Baustelle, auf die ich mich wage m?chte.

Wie sieht interreligi?ses Lernen denn aus?

Da gibt es unterschiedliche Konzepte. Ich pr?feriere folgenden Ansatz: In dem Moment, in dem ich zu einem bestimmten theologischen Thema den religi?s Anderen kennenlerne, frage ich zugleich mein Eigenes an und lerne mein Eigenes noch einmal anders oder neu kennen. Das hei?t, ich erkenne meine eigene F?rbung, wenn ich mich der F?rbung des anderen aussetze. So kann man sich n?her kommen, weil man Parallelen findet, man erkennt aber auch Differenzen. Dieser Prozess stiftet viel Freundschaft und das ist eines der Hauptziele interreligi?sen Lernens. Nicht nur theologische, sondern auch menschliche Freundschaft.

Haben die Religionen denn überhaupt Interesse daran, ihre Gl?ubigen der Konkurrenz auszusetzen?

Ja, denn es gibt den Wunsch, dass Religionen in einem s?kularen Raum sinnstiftende Potentiale freigeben und das k?nnen wir auch gemeinsam tun. Das, was Habermas als ?bersetzungsarbeit meint; religi?se ?berzeugungen für die Gesellschaft so zu übersetzen, dass es vernünftig und für viele anknüpfungsf?hig ist. Da kann interreligi?ses Lernen ein Anfang sein.

Sie forschen auch zur Genderkompetenz von Lehrkr?ften. Welchen Stellenwert geben sie ihr?

Der islamische Religionsunterricht soll sich an den Schüler*innen?orientieren. Zu dieser Subjektorientierung geh?rt auch die Genderorientierung. Vor allem werden muslimische Kinder sehr stark geschlechtsspezifisch erzogen. Sie werden mit geschlechtlich codierten Erziehungsvorstellungen und Erwartungen konfrontiert. Auch wenn es hierzu keine Zahlen gibt und noch ein gro?er Bedarf an empirischer Forschung in diesem Zusammenhang besteht, ist dies eine ernstzunehmende Wahrnehmung. Daraus ergibt sich die Frage an die islamische Religionsp?dagogik, ob Geschlecht eine Dimension des Unterrichts sein sollte. Antworten wir mit ?Ja“, dann wird es auch zu einer wichtigen Kategorie für die Ausbildung der Lehrkr?fte. Für mich ergibt sich daraus das wichtige Ziel der Sensibilisierung angehender Lehrpersonen für gesellschaftliche, aber auch für soziokulturelle Konstruktionen von Gender. Das f?ngt schon mit der Sprache an. Ludwig Wittgenstein sagte ja den berühmten Satz: ?Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.“ Daraus ergibt sich ein gender- wie auch sprachsensibler Unterricht. Wenn Kinder st?ndig von Gott als ?Er“ sprechen und h?ren, pr?gt das ihre religi?se Vorstellungswelt und Vorstellungskraft entscheidend.

Ihr Lehrstuhl befasst sich nicht nur mit der Religionsp?dagogik, sondern auch mit Praktischer Theologie. Sie forschen zu Seelsorge in Gef?ngnissen oder in Krankenh?usern.

Das sind meine zwei Schwerpunkt im Kontext der Praktischen Theologie, aber die Konzipierung der jeweiligen Studieng?nge wird noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich habe vor, mit verschiedenen Fachdisziplinen der Humboldt-Universit?t aber auch mit den Institutionen vor Ort etwas zu etablieren, sei es die Senatsverwaltung für Justiz in Berlin oder die Charité.

Auch ?sthetisches Lernen mit Musik geh?rt zu Ihren Forschungsschwerpunkten. Sie m?chten das Berliner Institut für Islamische Theologie deutschlandweit zum Vorreiter dafür machen. Was haben Sie genau vor?

Das ist ein Projekt, das sich nicht als kleines Institut oder als ein Lehrstuhl verwirklichen l?sst. Ich m?chte ein breites Netzwerk hierfür knüpfen. Die Hauptarbeit machen die Musiker*innen der Institutionen, mit denen ich zusammenarbeiten m?chte. In religionsp?dagogischer Perspektive m?chte ich aufzeigen, dass diese Einstellung der islamischen Tradition bekannt war und ist.

Durch unterschiedliche Spielarten der Kunst k?nnen neue Zug?nge zur Religion geschaffen werden. Diese Herangehensweise kommt in Deutschland insgesamt zu kurz. Musik ist ein Medium, durch die der Mensch personale Eigenschaften kultivieren kann. Darin sehe ich die Zielsetzung des Muslimseins: auf dem Weg zu sein, seine Charaktereigenschaften zum Guten und bestm?glichen zu verfeinern.

Kurzbiographie Tuba Isik

Die gebürtige Mainzerin studierte Rechtswissenschaften und P?dagogik an der Georg-August Universit?t in G?ttingen mit Intermezzi an den theologischen Fakult?ten in Bursa und Ankara. Ihr Weiterbildungsstudiengang Islamische Religionsp?dagogik an der Universit?t Osnabrück inspirierte sie 2010 darin zu promovieren. 2013 wurde sie im Fach der Komparativen Theologie promoviert. Zeitgleich studierte sie Katholische Theologie in Paderborn und an der p?pstlichen Universit?t Urbaniana. 2019 habilitierte sie zum Thema ?Die Kultivierung des Selbst. Die Bedeutung des Charakters für die Bildung im Horizont von Tugendethik" und erhielt ihre venia legendi für das Fach ?Islamisch Praktische Theologie“. Tuba Isik ist verheiratet und hat eine kleine Tochter.

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Berliner Institut für Islamische Theologie